Ehevertrag und Scheidungsfolgenvereinbarung: Praktischer Ratgeber für Unternehmer, Manager und Privatinvestoren
von Rechtsanwalt Fabian Arhelger, Frankfurt am Main
“Wie sehen Sie das eigentlich als Wirtschaftsanwalt, ist ein Ehevertrag sinnvoll für mich und wie sieht ein Muster hierfür aus?”, “Kann ich einen Ehevertrag auch nachträglich noch abschließen?” und “Was ist eigentlich eine Scheidungsfolgenvereinbarung?” − Das sind nur drei der häufigsten Fragen, die mir immer wieder gerade jüngere Unternehmer, Gesellschafter, Geschäftsführer und Führungskräfte stellen, wenn es um rechtliche Themen im Privatbereich geht.
Aus dem insoweit offensichtlich gegebenen Informationsbedürfnis heraus ist dieser Ratgeber zum Thema Ehevertrag und Scheidungsfolgenvereinbarung entstanden. Er greift zurück auf meine praktischen Erfahrungen bei der Gestaltung von Eheverträgen und Scheidungsvereinbarungen im Unternehmens- und Investmentbereich sowie die häufigsten Fragen von Mandanten (und ihren Partnern) zum Thema, jeweils einschließlich der wichtigsten steuerlichen Bezüge.
Über den Autor
Fabian Arhelger ist Rechtsanwalt in Frankfurt am Main und Inhaber der auf Unternehmens-, Finanzierungs- und Vermögensrecht spezialisierten Kanzlei Acorfin. Er berät und vertritt seit vielen Jahren bundesweit Unternehmer, Manager und Investoren in allen geschäftlichen und persönlichen Belangen, wozu naturgemäß auch die maßgeschneiderte Gestaltung von familien- und erbrechtlichen Verhältnissen im unternehmensnahen Bereich zählt. Sie erreichen den Autor unter farhelger@acorfin.com.
Vorwort
Aufgrund der immanenten Lebensnähe des Familienrechts gilt: Ein allgemeingültiges Muster für einen Ehevertrag gibt es nicht. Jeder Ehevertrag ist ein individuell an den Bedürfnissen, Wünschen und Zukunftsplänen der Ehegatten auszurichtendes Gesamtwerk; er muss anhand vorherrschender Tendenzen in der Rechtsprechung gestaltet und gleichzeitig den Vorstellungen der Eheleute gerecht werden.
Missachtet man die von Bundesgerichtshof und Oberlandesgerichten aufgestellten Spielregeln, droht das böse Erwachen im späteren Scheidungsverfahren: Nicht selten "zerreißt" ein Familiengericht den zuvor ohne hinreichende Würdigung des Einzelfalles vereinbarten Ehevertrag vor den Augen des finanziell stärkeren Ehegatten und bittet postwendend zur Kasse.
Gerade bei Vorhandensein unternehmerischen Vermögens (insb. Gesellschaftsanteile; anderweitige Kapitalinteressen wie stille Beteiligungen, Nachrangdarlehen und Wandeldarlehen) stellt sich zudem immer die Bewertungsfrage, die zu einem erheblichen Prozessrisiko für den unternehmerisch engagierten Ehegatten werden kann.
Aufgrund meiner fachlichen Ausrichtung wende ich mich mit diesem Beitrag besonders an GmbH-Gesellschafter und GmbH-Geschäftsführer (jeweils einschl. GmbH & Co. KG), angestellte Manager ohne Organstellung, Mediziner mit eigener Arztpraxis und (Privat-) Investoren, aber auch alle anderen Interessierten, die sich dem breiten Themenkreis rund um Ehevertrag, Gütertrennung, Zugewinngemeinschaft, Versorgungsausgleich und Ehegatten-Unterhalt im modernen Geschäftsumfeld strukturiert nähern möchten.
Eine gute Nachricht vorweg: Alleine die Tatsache, dass Sie sich für dieses Thema interessieren, zeugt von lobenswertem Risikobewusstsein. Bei konstant hohen Scheidungsquoten zwischen 35 und 50 Prozent in modernen westlichen Gesellschaften sind Heirat und Ehe (bzw. die Scheidung letzterer) zweifelsohne die größten privaten Risikofaktoren für Ihr Vermögen. Zum Vergleich: Das Risiko, Opfer eines tödlichen Autounfalls zu werden, liegt statistisch für einen durchschnittlichen Bürger bei deutlich weniger als einem Prozent.
Folglich kann ich aus anwaltlicher Sicht jedem Unternehmer, Selbstständigen, Freiberufler, Geschäftsführer, Manager und Investor nur dringend anraten, sich frühzeitig über die vermögensrechtlichen Folgen (aber auch Chancen) der Ehe zu informieren und dort, wo das gesetzliche Familienrecht als unbillig empfunden wird, eigene Abreden im Zuge eines individuell austarierten Ehevertrages zu vereinbaren.
In den folgenden Abschnitten zeige ich Ihnen zunächst die wichtigsten gesetzlichen und steuerlichen Rechtsfolgen der Ehe auf und erläutere anschließend, inwieweit Sie mit Ihrem Ehegatten eigene Regeln im Wege eines Ehevertrages vereinbaren können; das eine ist ohne das andere nicht verständlich. Dabei werde ich auch immer wieder thematisieren, wie Sie die Ehe zur gezielten steuerlichen und haftungsrechtlichen Gestaltung einsetzen können.
Schließlich gehe ich noch kurz auf das Thema der sog. Scheidungsfolgenvereinbarung (bisweilen auch: Scheidungsvereinbarung) ein. Eine ehevertragliche Regelung können Sie nämlich aufgrund der Ehevertragsfreiheit im deutschen Recht jederzeit (also auch nachträglich) abschließen und demnach ebenso für die "Ehe in der Krise" und die bereits gescheiterte bzw. kurz vor der Scheidung stehende Ehe eine akute Krisenregelung mit Ihrem künftigen Expartner treffen.
(1) Das Wichtigste vorweg: Vorteile und Risiken eines Ehevertrages für Unternehmer, Manager und Investoren im Überblick
Ein Ehevertrag birgt für Unternehmer, Manager und (Privat-) Investoren zahlreiche Vorteile gegenüber den gesetzlichen Bestimmungen des deutschen Eherechts (geregelt u.a. in den §§ 1297 ff. BGB sowie dem VersAusglG).
Zu den Vorteilen und Gründen für einen Ehevertrag zählen insbesondere:
Die Vermeidung der insbesondere für Unternehmer, Manager und Investoren äußerst ungünstigen Regelungen des gesetzlichen Scheidungsfolgenrechts;
die Möglichkeit zur Streitvermeidung durch vorherige Einigung darüber, wie eine Auseinandersetzung im Krisen- und Scheidungsfalle erfolgen soll;
die möglichst weitreichende Vermeidung prozessualer Kostentreiber in einem Scheidungsverfahren bzw. der zugehörigen Scheidungsfolgesache (wie z.B. zeitaufwendige Beweisaufnahme mit teuren Sachverständigengutachten);
die Ermöglichung moderner Steuergestaltung und Nachfolgeplanung durch sinnvolle vermögensrechtliche Gestaltung über das Vehikel "Ehevertrag";
die Flexibilität des deutschen Ehevertragsrechts, das auch Anpassungen bei Veränderung der konkreten Lebenssituation über die Ehedauer hinweg ermöglicht; sowie
die Erleichterung der späteren Beweisführung in einem “Scheidungsprozess” (technisch korrekt: Scheidungsverfahren) durch ein von Anfang an sachgemäß erstelltes Vermögensverzeichnis, welches das Anfangsvermögen der Ehegatten feststellt und damit gleichzeitig auch aus steuerlicher Sicht die Basis für eine Beweisführung ggü. dem Finanzamt erleichtert (vgl. insb. § 5 Abs. (1) Satz 3 ErbStG; § 1377 Abs. (3) BGB).
Den Ehevertrag könnte man also als sprichwörtliche "Teilkasko" für Ihr Liebesleben beschreiben: Sie sollten dabei selbstredend nicht nur Ihr heutiges Vermögen vor Augen haben, sondern auch (und gerade!) Ihren "persönlichen Ertragswert", also das, was Sie in den kommenden Jahren und Jahrzehnten an Einkünften und Vermögenswerten erwirtschaften werden, berücksichtigen.
Diesen Vorteilen stehen einige rechtliche Risiken gegenüber, die bei der Gestaltung und Vollziehung eines Ehevertrages zu beachten sind.
Wie ich im Folgenden noch ausführlich erläutern werde, hat die Rechtsprechung von Bundesgerichtshof (BGH) und Oberlandesgerichten (OLG) komplexe inhaltliche Anforderungen an Eheverträge entwickelt, die allesamt berücksichtigt werden müssen, um das Risiko einer Unwirksamkeit oder späteren Nichtdurchsetzbarkeit des Ehevertrages im Scheidungsfall zu minimieren.
Hinweis:
Diese sog. familiengerichtliche Inhaltskontrolle (bestehend aus Wirksamkeitskontrolle und Ausübungskontrolle) wird üblicherweise von der unterlegenen Ehevertragspartei in einem Scheidungsverfahren als Angriffspunkt gewählt, um bestimmte Klauseln (oder sogar den gesamten Ehevertrag) rückwirkend zu torpedieren.
Beispiel:
Sie sind Geschäftsführer mit signifikanter Beteiligung am arbeitgebenden Unternehmen und schließen mit Ihrer Ehefrau (F) einen Ehevertrag ab, der eine Vielzahl von Regelungen zu Ihren Gunsten (wie etwa einen Unterhaltsverzicht der F und eine Modifizierung des gesetzlichen Güterstandes) enthält. 10 Jahre später kommt es zur Scheidung.
Der Anwalt der F wird in der Scheidungsfolgensache versuchen, die Wirksamkeit oder jedenfalls die Ausübung aller für F nachteiligen Vereinbarungen im Ehevertrag nachträglich anzugreifen.
In diesem Beitrag stelle ich zunächst die gesetzliche Regellage im Überblick dar, um anschließend die Möglichkeiten der individuellen Regelung der ehelichen Verhältnisse durch Ehevertrag herzuleiten.
Denn: Ohne Grundkenntnisse von dem, was gilt, wenn kein Ehevertrag eingegangen wird, sind Sinn und Grenzen des deutschen Ehevertragsrechts schlechterdings nur schwer nachvollziehbar.
(2) Die Ehe und ihre Rechtsfolgen − Eine 360 Grad Betrachtung aus anwaltlicher Sicht
Mit den gesellschaftlichen Umbrüchen des 19. und 20. Jahrhunderts hat sich auch das Bild von Partnerschaft, Heirat und Ehe stark verändert. Während in früheren Zeiten die Einverdienerehe ("Hausfrauenehe") die dominierende Form der ehelichen Lebensführung bildete, ist heute die Doppelverdienerehe in ihren zahlreichen Schattierungen das prägende Merkmal westlicher Gesellschaften.
Im anglo-amerikanischen Rechtskreis hat sich für die “Extremform” der Doppelverdiener-Partnerschaft sogar ein eigenes Akronym herausgebildet: "DINK", was für double income no kids steht (sowie die augenzwinkernde Erweiterung auf "DINKWAD", double income no kids with a dog). Wie die Partner ihre Beziehung konkret gestalten möchten, wirkt sich unmittelbar auf die rechtliche Prüfung von Eheverträgen durch die Familiengerichte aus (ausführlich dazu unten, Abschnitt 4).
Trotz alledem ändert sich eines nie: Die Schließung einer Ehe zählt zu den bedeutendsten vermögensrechtlichen Entscheidungen, die Sie als Unternehmer, Manager und Investor zu Lebzeiten treffen werden und ist in ihrem Wesenskern darauf ausgelegt, einen rechtlichen Rahmen für die Gründung einer Familie zu bilden.
Das deutsche Familien- und Erbrecht enthält allerdings fatalerweise keine besonderen Vorschriften für unternehmerisches Vermögen, weswegen die gesetzliche Regellage zu äußerst ungünstigen Ergebnissen für Unternehmer, Selbstständige, Freiberufler, Investoren und Gesellschafter-Geschäftsführer von Personen- oder Kapitalgesellschaften führen kann (mehr dazu unter Abschnitt 3).
Eine gewisse Ausnahme hierzu bildet lediglich das Steuerrecht (insb. Grunderwerbsteuerrecht sowie Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht), das verschiedene steuerliche Privilegien für Eheleute und Familienunternehmen auch und gerade im gesetzlichen Güterstand vorsieht, die sich zur Gestaltung im unternehmensnahen Bereich ausnutzen lassen.
Mit dem Tag der standesamtlichen Heirat ergeben sich (vorbehaltlich ehevertraglicher Abweichungen) zahlreiche vermögensrechtliche Konsequenzen, die der Gesetzgeber unmittelbar oder jedenfalls mittelbar an die Eheschließung gekoppelt hat:
Die Begründung einer familienrechtlichen Zugewinngemeinschaft durch die beiden Eheleute (§ 1363 BGB) (dazu Abschnitt 3.1);
die Begründung einer wechselseitigen Unterhaltspflicht der beiden Ehegatten dergestalt, dass (i) während der Ehezeit Arbeitskraft und Vermögen zur Schaffung der ehelichen Lebensgrundlagen einzusetzen sind (Familienunterhalt, § 1360 BGB), (ii) im Trennungsfall Unterhalt als Geldrente zu zahlen ist (Trennungsunterhalt, § 1361 BGB) sowie (iii) unter bestimmten Voraussetzungen ab Rechtskraft der Scheidung weiterhin Unterhalt als Geldrente zu zahlen ist (sog. nachehelicher Unterhalt, §§ 1570 ff. BGB) (zu alldem Abschnitt 3.2);
die Begründung einer Pflicht zum Versorgungsausgleich für den Fall der Scheidung, wonach derjenige Ehegatte, der während der Ehedauer höhere Anwartschaften für seine Altersvorsorge erworben hat (z.B. Rentenansprüche, Ansprüche gegen ein Versorgungswerk) dem anderen Ehegatten Ausgleich leisten muss (im Einzelnen geregelt im Gesetz über den Versorgungsausgleich − VersAusglG, dazu Abschnitt 3.3);
die Begründung der Kindschaftsvermutung (§ 1592 Nr. 1 BGB), wonach Vater eines Kindes derjenige Mann ist, der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist; gegenüber Dritten greift insoweit die sog. negative Sperrwirkung des § 1594 Abs. (2) BGB, wonach die Vaterschaft des Ehemannes so lange rechtlich fortbesteht, bis diese Vaterschaftszuordnung erfolgreich angefochten worden ist;
die wahlweise steuerliche Zusammenveranlagung nach dem Einkommensteuergesetz (§ 26b EStG) und die Anwendbarkeit des Ehegattensplittings nach § 32a Abs. (5) EStG (wodurch sich erhebliche Steuervorteile insb. in der Einverdienerehe und der Diskrepanzehe ergeben können) sowie die Eröffnung verschiedener einkommensteuerlicher Freibeträge;
die Begründung einer steuerlichen Gesamtschuldnerschaft (d.h. zusammenveranlagte Ehegatten haften als Gesamtschuldner wechselseitig für Steuerschulden des anderen, § 44 AO);
die Befreiung von der Grunderwerbsteuer bei bestimmten Immobiliengeschäften zwischen Ehegatten in der laufenden Ehe (§ 3 Nr. 4 GrEStG) sowie bei der Vermögensauseinandersetzung (§ 3 Nr. 5 GrEStG);
das Entstehen des gesetzlichen Ehegattenerbrechts (§ 1931 BGB, §1371 BGB) und das Eingreifen besonderer Regelungen im Pflichtteilsrecht (§ 1371 BGB, § 2303 BGB);
bestimmte Steuererleichterungen bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer gemäß Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG), u.a. durch die günstigere Steuerklasse I, Ehegattenfreibetrag und Versorgungsfreibetrag, steuerliche Freistellung des Zugewinnausgleichs (§ 5 ErbStG) sowie eine Steuerbefreiung für die Zuwendung des Familienheims (§ 13 Abs. (1) Nr. 4b und 4c ErbStG) ohne Wertobergrenze, Objektverbrauch, Behaltensfrist und Nachsteuerfrist (wodurch sich interessante Möglichkeiten zur Steuergestaltung zwischen Ehegatten wie etwa die sog. Eigenheimschaukel bzw. Familienheimschaukel und die Güterstandsschaukel ergeben, zu letzterem vgl. Abschnitt 4.5(e)); sowie
die Bildung einer Bedarfsgemeinschaft im sozialrechtlichen Sinne (§ 7 Abs. (2) und (3) SGB II, § 33 Abs. (2) SGB II) und der Zugang zur gesetzlichen Familienversicherung (§ 10 SGB V).
(3) Ehe ohne Ehevertrag: Überblick über das gesetzliche eheliche Güterrecht (§§ 1363 ff. BGB), Unterhaltsrecht (§§ 1360, 1361; 1569, 1570 ff. BGB) und Recht des Versorgungsausgleichs (VersAusglG)
Die (zivil-) familienrechtlichen Rechtsfolgen der Eheschließung lassen sich grob in drei Grundaspekte unterteilen:
Die güterrechtlichen Folgen;
die unterhaltsrechtlichen Folgen; sowie
die versorgungsrechtlichen Folgen.
Alle drei Aspekte erläutere ich in den folgenden Abschnitten.
(3.1) Gesetzliches eheliches Güterrecht der Zugewinngemeinschaft im deutschen Familienrecht (§§ 1363 ff. BGB)
Mit der Eheschließung begründen Sie von Gesetzes wegen eine sog. Zugewinngemeinschaft, sofern durch Ehevertrag nichts Abweichendes vereinbart wird (§ 1363 Abs. (1) BGB). Kommt es zur Scheidung, wird ein sog. Zugewinnausgleich zwischen den Ehegatten durchgeführt (§ 1372 BGB).
Der Zugewinnausgleich muss dabei nicht zwingend durch das Familiengericht durchgeführt werden: Es handelt sich lediglich um eine zivilrechtliche Anspruchsbeziehung, die Sie auch mit Ihrem künftigen Ex-Partner "privat" regeln können.
Kommt es jedoch zum Streit über Bestehen und Höhe einer Ausgleichsforderung, kann der ausgleichsberechtigte Ehegatte das Familiengericht anrufen und den Zugewinnausgleich gerichtlich im Wege einer Scheidungsfolgesache klären lassen (sog. Familienstreitsachen, § 112 FamFG). Familienstreitsachen unterteilt der Gesetzgeber wiederum in Unterhaltssachen (§ 231 FamFG), Güterrechtssachen (§ 261 FamFG) und sonstige Familiensachen (§ 266 FamFG).
(3.1(a)) Prinzip der Vermögenstrennung während der Ehezeit
Entgegen des missverständlichen Begriffs Zugewinngemeinschaft entsteht allerdings gerade keine Vermögensgemeinschaft im rechtlichen Sinne. Stattdessen bleiben Vermögen (Aktiva) und Schulden (Passiva) beider Ehepartner strikt voneinander getrennt (§ 1363 Abs. (2) BGB). Jeder Ehegatte haftet deshalb auch nur für eigene Verbindlichkeiten und − sofern keine eigene separate Schuld begründet wird − gerade nicht für Verbindlichkeiten des anderen.
Hinweis: Problem der Mithaftung
Nach der Rechtsprechung kann die Mitunterzeichnung eines Kreditvertrages durch den Ehegatten unwirksam sein, wenn der mitunterzeichnende Ehegatte gar kein eigenes Interesse an der Kreditgewährung hatte. Das wird häufig dann der Fall sein, wenn der Ehemann einen Darlehensvertrag für sein Unternehmen abschließt und die Bank verlangt, dass seine (nicht am Unternehmen beteiligte) Ehefrau zur Vermeidung nachteiliger Vermögensverschiebungen mit unterzeichnet und eine Mithaftung begründet. Daneben kann nach der Rechtsprechung auch eine sog. krasse finanzielle Überforderung des mitunterzeichnenden Ehegatten vorliegen, die zur Sittenwidrigkeit des Kreditgeschäfts führt (§ 138 Abs. (1) BGB).
Konsequenterweise verwaltet jeder Ehegatte auch sein eigenes Vermögen in eigener Verantwortung (§ 1364 BGB); Ausnahmen bilden lediglich Haushaltsgegenstände (§ 1369 BGB) und Verfügungen über das Vermögen des einzelnen Ehegatten im Ganzen (§ 1365 BGB). Insbesondere § 1365 BGB soll dabei den Zugewinnausgleichsanspruch des anderen Ehegatten schützen.
Hinweis: Befreiung von den Verpflichtungs- und Verfügungsbeschränkungen
Die Verpflichtungs- und Verfügungsbeschränkungen der Zugewinngemeinschaft in §§ 1365 ff. BGB sind ehevertraglich grundsätzlich abdingbar. In der Praxis der Ehevertragsgestaltung werden sie zugunsten von Unternehmer- bzw. Investor-Ehegatten deshalb zumindest im Hinblick auf bestimmte Unternehmensbeteiligungen ausgeschlossen. In Bezug auf Personengesellschaften und eine eventuell vorliegende Betriebsaufspaltung sollten auch immer Sonderbetriebsvermögen und betrieblich genutzter Grundbesitz explizit mit in die Freistellung einbezogen werden.
In der Beyond Return-Ausgabe zum Thema “Family M&A / Familien- und Erbrecht beim Unternehmensverkauf” gehe ich näher auf die familien- und erbrechtlichen Rahmenbedingungen von M&A-Deals unter Beteiligung von Privatpersonen (natürlichen Personen) ein, darunter auch die Verpflichtungs- und Verfügungsbeschränkungen in der gesetzlichen Zugewinngemeinschaft gemäß § 1365 BGB.
(3.1(b)) Vergleich von Anfangsvermögen und Endvermögen (Vermögensvergleich) im Scheidungsfall
Kommt es später zur Scheidung werden die Aktiva und Passiva der einzelnen Ehegatten einander gegenüber gestellt. Der Ehepartner, der während der Dauer der Ehe mehr Vermögen (und damit einen Überschuss im Zugewinn) erwirtschaftet hat, schuldet dem anderen Ehegatten Ausgleich in Höhe der Hälfte des erreichten Zugewinnüberschusses (daher der Begriff Zugewinnausgleich).
Rein Begrifflich spricht das Gesetz insoweit auch von der Gegenüberstellung des Anfangsvermögens und des Endvermögens jedes Ehegatten (§§ 1373 ff. BGB). Im Ergebnis sollen dadurch nach dem Leitbild des Gesetzes die Vermögen beider Ehegatten im Scheidungsfall gleichgestellt werden. Das Endvermögen muss hierbei formal für den Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages (§ 1384 BGB) ermittelt werden.
(3.1(c)) Negatives Vermögen und privilegiertes Vermögen bei Berechnung des Zugewinnausgleichs
Auch negatives Anfangsvermögen (§ 1374 BGB) und negatives Endvermögen (§ 1375 BGB) werden bei der Berechnung des Zugewinns berücksichtigt, um die Reduzierung von Schulden während der Ehe ebenfalls als Zugewinn zu erfassen. Im Gegensatz dazu ist dem Gesetz ein "negativer Zugewinn" fremd; andernfalls würde ein Ehegatte "durch die Hintertür" für die Schulden des anderen Ehegatten haften und eine Scheidung letztlich die Gläubiger des Schuldner-Ehegatten begünstigen. Das jedoch möchte der Gesetzgeber zur Wahrung des Rechtsfriedens in der familiären Sphäre gerade nicht.
Allerdings soll durch den Zugewinnausgleich ausschließlich eine Beteiligung des anderen Ehegatten an der gemeinsamen Lebensleistung sichergestellt werden. Deshalb werden Vermögenserwerbe, die nicht der gemeinsamen Lebensleistung entstammen, aus dem Zugewinnausgleich herausgenommen. Technisch passiert dies gemäß § 1374 Abs. (2) BGB dadurch, dass Erwerbe von Todes wegen (also insb. Erbschaften und Vermächtnisse), Erwerbe mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht und Schenkungen (also insb. lebzeitige Regelungen der Erbfolge durch die Eltern) sowie eine Ausstattung (siehe § 1624 BGB) dem Anfangsvermögen des erwerbenden Ehegatten zugerechnet werden.
Hinweis (1): Enge Auslegung nach der Rechtsprechung
Nach BGH, Urteil v. 09.04.1986, Az.: IVb ZR 14/85 sind die Bestimmungen über privilegiertes Vermögen in § 1374 Abs. (2) BGB sehr eng auszulegen. Wird etwa eine lebzeitige Regelung der Erbfolge aus steuerlichen (und ggf. anfechtungsrechtlichen) Gründen nicht als Schenkung, sondern als entgeltlicher Erwerb ausgestaltet, führt dies i.d.R. zu einer Versagung der Privilegierung. Hier liegt, so der BGH, eben keine "Schenkung" (also unentgeltliche Verfügung, vgl. § 516 BGB) im Rechtssinne mehr vor.
Hinweis (2): Keine Privilegierung von Wertsteigerungen
Wertsteigerungen von privilegiert erworbenem Vermögen sind nicht privilegiert und unterfallen damit dem Zugewinnausgleich. Erbt also der eine Ehegatte ein Grundstück, zählt dieses Grundstück per se zwar zu dessen Anfangsvermögen, eine über die Ehedauer erzielte Wertsteigerung dieses Grundstücks ist aber ausgleichspflichtiger Zugewinn.
Begrenzt wird die Höhe der Zugewinnausgleichsforderung des ausgleichsberechtigten Ehegatten durch den Wert des Vermögens, das beim ausgleichspflichtigen Ehegatten nach Abzug aller Verbindlichkeiten bei Beendigung des Güterstandes noch vorhanden ist (§ 1378 Abs. (2) BGB).
Es kann deshalb in der Praxis vorkommen, dass der ausgleichsverpflichtete Ehepartner bei negativem Anfangsvermögen sein vollständiges Vermögen für den Zugewinnausgleich einsetzen muss und sich im Falle einer sog. illoyalen Vermögensminderung (auch illoyale Vermögensverwendung) gar verschulden muss, um den Zugewinnausgleich zu erfüllen (vgl. § 1375 Abs. (2) BGB).
(3.1(d)) Bewertung von Vermögen und Unternehmen beim Zugewinnausgleich
Zur Ermittlung der Höhe des zu zahlenden Zugewinnausgleichs müssen das Anfangsvermögen und das Endvermögen getrennt zu ihrem jeweiligen Stichtag bewertet werden. Das Anfangsvermögen wird dabei auf den Zeitpunkt des Eintritts in den Güterstand ermittelt (§ 1376 Abs. (1) BGB). Das Endvermögen wird im Falle der Scheidung auf den Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags (§ 1384 BGB), sonst auf den Zeitpunkt der Beendigung des Güterstandes (§ 1376 Abs. (2) BGB) berechnet .
Das BGB-Familienrecht enthält hinsichtlich der anzuwendenden betriebswirtschaftlichen Bewertungsmethoden keine näheren gesetzlichen Vorgaben, sondern verlangt lediglich (implizit) die Ermittlung des wirklichen Werts (= Verkehrswert) anhand wissenschaftlich anerkannter Bewertungsmethoden zum jeweiligen Bewertungsstichtag (vgl. § 1376 Abs. (1) - (3) BGB).
Hinweis: Landwirtschaftliche Betriebe
Lediglich für landwirtschaftliche Betriebe enthält § 1376 Abs. (4) BGB eine etwas spezifischere Vorschrift, wonach im Falle der Fortführung oder Wiederaufnahme unter bestimmten Voraussetzungen zwingend der Ertragswert anzusetzen ist. Eine ergänzende Spezialvorschrift findet sich sodann in Art. 137 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB), der auf einschlägige Gesetze der Bundesländer verweist. Dort wird üblicherweise ein Vielfaches des jährlichen Reinertrages als Berechnungsmodus für den Ertragswert eines landwirtschaftlichen Unternehmens festgelegt. Für andere Unternehmensarten fehlen solche Vorgaben.
Entsprechend muss bei der Berechnung von Asset- und Unternehmenswerten für Zwecke des Zugewinnausgleichs auf die marktüblichen finanz- und betriebswirtschaftlichen Methoden zurückgegriffen werden.
Im Bereich der familienrechtlichen Unternehmensbewertung kommen als Bewertungsansätze namentlich in Betracht:
Orientierung an der Ertragskraft über klassische Ertragswertverfahren, insb. das zweistufige Verfahren nach den Bewertungsrichtlinien des Instituts der Wirtschaftsprüfer (IDW), vgl. IDW-Standard "Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen" (IDW S 1) als Stufe 1 und IDW-Standard "Besonderheiten bei der Unternehmensbewertung zur Bestimmung von Ansprüchen im Familien- und Erbrecht" (IDW S 13) als Stufe 2, punktuell ergänzt durch die KMU-Hinweise von IDW und Bundessteuerberaterkammer (vgl. IDW-Fachnachrichten, Heft 04/2014, S. 282 ff.); alternativ das vereinfachte Ertragswertverfahren gem. §§ 199 ff. BewG oder das modifizierte Ertragswertverfahren für die Bewertung von Freiberuflerpraxen (vgl. BGH, Urteil v. 02.02.2011 − Az. XII ZR 185/08);
Orientierung am Substanzwert über klassische Substanzwertverfahren anhand (i) Reproduktionswert bzw. Wiederbeschaffungswert und Geschäftswert bzw. Goodwill oder (ii) Liquidationswert (grds. nur noch dort angemessen, wo Ertragswertverfahren keine geeigneten Ergebnisse liefern bzw. liefern können, z.B. im Falle einer Arztpraxis (vgl. Bundesärztekammer, Hinweise zur Bewertung von Arztpraxen, Deutsches Ärzteblatt 2008, Heft 51/52, A 2778));
Stuttgarter Verfahren als Kombination von Ertrags- und Substanzwertverfahren (aktuell von untergeordneter Bedeutung, da seit 2009 durch den Gesetzgeber mit der Erbschaftsteuerreform abgeschafft, aber bisweilen noch in Altverträgen vereinbart); sowie
"Discounted Cash Flow"-Verfahren (DCF-Methode), also eine Errechnung zukünftiger Free Cash Flows (FCF-Ansatz) und Diskontierung auf den Bewertungsstichtag nach Equity Methode oder Entity Methode (WACC- / APV- / TCF-Ansatz); noch keine gefestigte Rechtsprechung der Familiengerichte hierzu, aber dennoch aufgrund der Ehevertragsfreiheit im Ehevertrag durch die Ehegatten als maßgebliche Bewertungsmethode unter Bezugnahme auf die im internationalen Marktumfeld vorherrschenden DCF-Bewertungsgrundsätze und Berechnungsformeln vereinbar).
In der Beyond Return Ausgabe zum Thema “Bewertung von Immobilien und Kaufpreisfindung” erläutere ich, welche drei Grundansätze es für die Bewertung von Immobilien gibt. Diese Grundprinzipien lassen sich auch auf andere Asset-Klassen übertragen.
Zur Bewertung einzelner Unternehmensbeteiligungen (z.B. GmbH-Gesellschaftsanteile, Aktien, KG-Anteile) kommen ferner in Betracht:
Die direkte Bewertung von Gesellschaftsanteilen über eine Kalkulation von Zahlungsströmen zwischen Unternehmen und Shareholder; sowie
die indirekte Bewertung von Gesellschaftsanteilen durch Ermittlung des Unternehmenswerts und Ableitung der konkreten Gewinnbeteiligung des Shareholders daraus,
jeweils ggf. plus/minus individueller Zu- und Abschläge, etwa aufgrund einer vorhandenen Sperrminorität des ausgleichspflichtigen Ehegatten (werterhöhend) oder zusätzlicher Verpflichtungen ggü. der Gesellschaft (wertmindernd).
Problem: Berücksichtigung sonstiger wertbildender Faktoren bei Gesellschaftsanteilen?
In der Rechtspraxis stellen sich bei Gesellschaftsanteilen insbesondere im Hinblick auf vorzunehmende Wertzuschläge und Wertabschläge komplizierte Abgrenzungsfragen, etwa wenn der Gesellschaftsvertrag des Unternehmens eine Abfindungsklausel oder eine Vinkulierung enthält, die sich (argumentativerweise) auf Fungibilität und Wert eines Geschäftsanteils auswirken. Inwieweit dies bei Berechnung des Zugewinnausgleichs berücksichtigungsfähig ist, wird uneinheitlich gehandhabt und ist deshalb nur im Einzelfall (und selbst dann nur unter Vorbehalt des Prozessrisikos) beantwortbar.
Im Streitfall wird daher regelmäßig durch das Gericht ein Sachverständigengutachten eingeholt, das einerseits teuer und andererseits ebenfalls streitanfällig sein kann.
In der Beyond Return Ausgabe zum Thema “Vinkulierung bei Familienunternehmen / GmbH und GmbH & Co. KG” erläutere ich das rechtliche Framework moderner Vinkulierungsklauseln, das sich idR. auch auf die Bewertung eines Gesellschaftsanteils im Familienrecht auswirken wird.
In der Beyond Return Ausgabe zum Thema “Liquidität Schützen bei GmbH und GmbH & Co. KG” gehe ich u.a. auf die Begrenzung von Gewinnentnahmen / Gewinnausschüttungen und Abfindungsklauseln ein.
(3.1(e)) Familienrechtliche Spezialvorgaben bei der Bewertung von Assets und Unternehmen; Doppelverwertungsverbot und Indexierung nach der Rechtsprechung
Unabhängig von der konkreten Bewertungsmethode wird die Berechnung allerdings stets durch die Besonderheiten des Familienrechts flankiert.
Insbesondere zu nennen ist das sog. Doppelverwertungsverbot, wonach Erträge eines Ehegatten nicht doppelt für Berechnung des Zugewinnausgleichs und des Unterhalts herangezogen werden dürfen. Im Zentrum der Erwägungen zum Verbot der Doppelverwertung steht dabei die korrekte Ermittlung eines Unternehmerlohns, der letztlich aus dem Zugewinn herauszurechnen und exklusiv als Bewertungsgrundlage für den Unterhalt heranzuziehen ist.
Zudem sind nach der Rechtsprechung latente Ertragsteuern unabhängig von einer tatsächlichen Veräußerungsabsicht des Zugewinnausgleichspflichtigen aus familienrechtlicher Sicht immer mit zu berücksichtigen (BGH, Urteil v. 02.02.2011 − Az. XII ZR 185/08).
Im Bereich der Ertragswertverfahren trägt der IDW S 13 (Besonderheiten bei der Unternehmensbewertung zur Bestimmung von Ansprüchen im Familien- und Erbrecht) den familien- und erbrechtlichen Besonderheiten Rechnung und ergänzt insoweit auf einer zweiten Berechnungsstufe den IDW S 1 nach Maßgabe der einschlägigen Rechtsprechung.
Gleichwohl können im konkreten Einzelfall weitere Modifikationen einer Bewertung geboten sein, etwa in Fällen, in denen der ausgleichsberechtigte Ehegatte durch unentgeltliche Mitarbeit tiefer mit dem Unternehmen des Ausgleichspflichtigen verwoben ist. Insoweit hat sich eine komplexe Rechtsprechungsdogmatik entwickelt, die insbesondere in der Figur der Ehegatteninnengesellschaft Ausdruck findet.
Zum Ausgleich des Kaufkraftschwundes (Indexierung) ist schließlich nach der Rechtsprechung das Anfangsvermögen mittels des Lebenshaltungskostenindex bzw. Verbraucherpreisindex des Statistischen Bundesamtes (Destatis) auf die Kaufkraftverhältnisse zum Zeitpunkt der Beendigung des Güterstandes umzurechnen (vgl. Grundsatzentscheidung des BGH, Urteil v. 14.11.1973 − Az.: IV ZR 147/72).
(3.1(f)) Fälligkeit des Zugewinnausgleichsanspruchs und Liquiditätsrisiko
Fällig wird ein im Zuge des Scheidungsverfahrens errechneter Zugewinnausgleichsanspruch mit Rechtskraft der Scheidung (§ 1378 Abs. (3) BGB); eine Stundung kann lediglich in sehr seltenen Ausnahmefällen über das Recht zur Leistungsverweigerung wegen grober Unbilligkeit (§ 1381 BGB) erreicht werden.
Beispiel:
Ehemann (M) und Ehefrau (F) heiraten, als beide noch studieren. Ein Ehevertrag wird nicht abgeschlossen. Nach dem Studium gründet M ein Unternehmen, F wird Hausfrau. Als F nach 10 Jahren die Scheidung einreicht, hat das Unternehmen von M nach dem Gutachten eines gerichtlich bestellten Sachverständigen einen Verkehrswert von 10 Millionen Euro.
Aus familienrechtlicher Sicht hat M während der Ehedauer einen Zugewinn von 10 Millionen Euro erzielt, von dem er F im Wege des Zugewinnausgleichs die Hälfte, also 5 Millionen Euro, mit Rechtskraft der Scheidung ausbezahlen muss.
Kann M den Zugewinnausgleichsanspruch der F nicht aus freier Liquidität bedienen, muss er grds. das Unternehmen verkaufen, um den fälligen Zugewinnausgleichsanspruch der F zu erfüllen. Eine Verschonungs- oder Härtefallregelung für unternehmerisches Vermögen existiert (abseits des selten einschlägigen § 1381 BGB) im deutschen Recht nicht.
Aus Perspektive des (künftig) Zugewinnausgleichsberechtigten ist vorab noch die Überlegung wichtig, dass der Zugewinnausgleichsanspruch faktisch unbesichert ist. Ist etwa der ausgleichsverpflichtete Ehemann GmbH-Geschäftsführer und wird in einen Haftungsprozess verwickelt (vgl. § 43 GmbHG), kann das grundsätzlich den Zugewinnausgleichsanspruch beeinträchtigen oder (bei einem vollständigen Abschmelzen seines Endvermögens) sogar komplett auflösen.
Wollen die Ehegatten dies vermeiden, kommt ein frühzeitiger einvernehmlicher Zugewinnausgleich im Wege eines Ehevertrages in Betracht (vgl. dazu auch Abschnitt 4.5(e)). Insoweit sind jedoch die Anfechtungsregelungen gemäß AnfG und §§ 129 ff. InsO bei der Gestaltung des konkreten Vermögenstransfers im Hinterkopf zu behalten.
In der Beyond Return Ausgabe zum Thema “Haftungsrisiken für GmbH-Geschäftsführer in der Industrie 4.0” erläutere ich am Beispiel der sog. Produktverantwortung von Geschäftsführern die hohen Haftungsrisiken für Manager in der modernen Unternehmensrealität.
(3.1(g)) Zugewinnausgleich und Steuer
Ein wesentlicher Vorteil des Güterstands der Zugewinngemeinschaft liegt in der Privilegierung bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer gemäß § 5 ErbStG. So stellt § 5 Abs. (2) ErbStG klar, dass ein familienrechtlich geschuldeter Zugewinnausgleich keine freigiebige Zuwendung i.S.v. § 3 ErbStG bzw. § 7 ErbStG darstellt.
(3.2) Gesetziches Unterhaltsrecht im deutschen Familienrecht: Trennungsunterhalt vs. nachehelicher Unterhalt
Kommen wir nun vom gesetzlichen Güterrecht zum Unterhaltsrecht. Ein häufiges Missverständnis von Mandanten ist, dass es einen zentralen Anspruch auf "Scheidungsunterhalt" gibt. Tatsächlich unterscheidet das deutsche Familienrecht trennscharf zwischen dem sogenannten Trennungsunterhalt (§ 1361 BGB) einerseits und dem nachehelichen Unterhalt (§§ 1569 ff. BGB) andererseits.
Wie die Bezeichnungen bereits nahelegen, greift der Trennungsunterhalt ab der Trennung der Ehegatten bis zur rechtskräftigen Scheidung. Ab dem Zeitpunkt der Rechtskraft der Scheidung greifen sodann (abhängig vom konkreten Sachverhalt) die verschiedenen Regelungen zum nachehelichen Unterhalt ein.
Vollstreckungsrechtlich benötigt der Unterhaltsberechtigte Ehegatte sodann auch zwei verschiedene Titel: (Erstens) einen Titel betreffend den Trennungsunterhalt sowie (zweitens) einen separaten Titel betreffend den nachehelichen Unterhalt.
Hinweis: Abgrenzung zum Kindesunterhalt
Abzugrenzen vom Ehegattenunterhalt ist wiederum der Kindesunterhalt (juristisch korrekt: Unterhaltspflicht Verwandter in gerader Linie, §§ 1601 ff. BGB). Hierbei handelt es sich um originäre Ansprüche eines Kindes gegen seine Eltern beziehungsweise einen Elternteil und gerade nicht um Ansprüche der Ehepartner gegeneinander.
Gegenüber dem Kind kann dabei z.B. ein Elternteil den Unterhalt durch Betreuung (§ 1606 Abs. (3) Satz 2 BGB) und der andere Elternteil durch Unterhalt in Geld (sog. Barunterhalt, § 1612 BGB) leisten.
Der Kindesunterhalt hat also nichts mit Ihrem Ehevertrag zu tun, kann in diesem auch nicht modifiziert werden und soll deshalb in diesem Beitrag nicht weiter thematisiert werden.
(3.2(a)) Die große Unwägbarkeit im Unterhaltsrecht
Die Reform des Unterhaltsrechts im Jahr 2008 hat zwar die Anforderungen an den nachehelichen Unterhalt verschärft, aber keine gesetzliche Obergrenze für die Unterhaltshöhe eingeführt. Stattdessen regelt § 1578 Abs. (1) BGB mit blumigen Worten: "Das Maß des Unterhalts bestimmt sich nach den ehelichen Lebensverhältnissen. Der Unterhalt umfasst den gesamten Lebensbedarf."
Was genau ein den "ehelichen Lebensverhältnissen" entsprechender Unterhalt ist und wie die einzelnen Tatbestandsmerkmale der Unterhaltsnormen in den §§ 1570 ff. BGB genau auszulegen sind, bleibt im Wesentlichen der Rechtspraxis und damit den Familiengerichten überlassen.
Höhe und Dauer des nachehelichen Unterhalts sind entsprechend sehr schwierig vorab einzuschätzen; gerade aus Sicht von besser verdienenden bzw. hohe Kapitaleinkünfte erzielenden Unternehmern, Managern und (Privat-) Investoren birgt dies ein praktisch vorab kaum greifbares Haftungspotenzial.
Gleichwohl hat die Reform 2008 auch zu wichtigen Entschärfungen des Unterhaltsrechts geführt: Es gilt nunmehr der gesetzlich angeordnete Grundsatz, dass voller Unterhalt nur noch für eine bestimmte Zeit zugesprochen wird, danach lediglich ein verringerter Unterhaltsanspruch eingreifen kann und der ehemalige Partner schließlich − abgesehen von wenigen Ausnahmen − wieder für sich selbst sorgen muss (sog. Grundsatz der Eigenverantwortung, § 1569 BGB).
Die bis 2008 geltende und oftmals kritisierte "Lebensstandard-Garantie auf Dauer" ist damit heute abgeschafft (jedenfalls nach dem Wortlaut des Gesetzes und den zugehörigen Erwägungen des Gesetzgebers, vgl. Beschlussentwurf und Bericht des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages v. 07.11.2007, BT-Drs. 16/6980).
Hinweis: Vertragliche Regelung des Unterhalts i.d.R. sinnvoll
Aufgrund von alldem ist dringend anzuraten, auch und gerade das Unterhaltsrecht ehevertraglich auf die Bedürfnisse der Ehegatten anzupassen und insoweit möglichst wenig der ständigen Veränderungen unterworfenen Rechtsprechung der Familiengerichte zu den komplexen gesetzlichen Unterhaltstatbeständen zu überlassen.
(3.2(b)) Grundlagen des gesetzlichen nachehelichen Unterhalts für Ehegatten (§§ 1569 ff. BGB)
Das deutsche Unterhaltsrecht folgt einem übergeordneten Schema aus Anspruchsgrund, Bedarf, Bedürftigkeit, Leistungsfähigkeit und Begrenzungstatbeständen.
Als Anspruchsgrund des Ehegattenunterhalts kommen in Betracht:
Unterhalt wegen Betreuung eines Kindes / Kindesbetreuungsunterhalt (§ 1570 BGB);
Unterhalt wegen Alters / Altersunterhalt (§ 1571 BGB);
Unterhalt wegen Krankheit oder Gebrechen / Krankheitsunterhalt (§ 1572 BGB);
Unterhalt wegen Erwerbslosigkeit und Aufstockungsunterhalt (§ 1573 BGB);
Unterhalt wegen Ausbildung, Fortbildung oder Umschulung / Ausbildungsunterhalt (§ 1575 BGB); sowie
Unterhalt aus Billigkeitsgründen / Billigkeitsunterhalt (§ 1576 BGB).
Der Unterhaltsbedarf richtet sich, wie eben bereits erwähnt, nach den ehelichen Lebensverhältnissen und umfasst grds. den gesamten Lebensbedarf (§ 1578 Abs. (1) BGB). Dieser "gesamte Lebensbedarf" umfasst auch die separat zu ermittelnden Kosten einer angemessenen Kranken- und Pflegeversicherung sowie der sozialen Absicherung im Alter.
Maßgeblich sind insoweit die Lebens- und Einkommensverhältnisse, die die Ehe nachhaltig geprägt haben. Einbezogen werden alle einkommensteuerlichen Einkunftsarten, also insbesondere Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 EStG), Einkünfte aus selbständiger Arbeit (§ 18 EStG), Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 15 EStG), Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG) und Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 EStG).
Hinweis: Unverbindlichkeit der steuerlichen Ermittlungsmodi
Die familienrechtliche Betrachtung ist bei Ermittlung der Berechnungsgrundlagen nicht zwangsläufig deckungsgleich mit der steuerlichen Bewertung durch das Finanzamt. So gibt es Beispiele aus der Rechtsprechung, in denen steuerlich rechtmäßige Einkommensminderungen familien- bzw. unterhaltsrechtlich nicht anerkannt wurden.
Ist das die eheliche Lebensgemeinschaft prägende Gesamteinkommen ermittelt, greift prinzipiell der sog. Halbteilungsgrundsatz, wonach beiden Ehegatten jeweils die Hälfte des Gesamteinkommens zusteht. Der Halbteilungsgrundsatz wird nach der Rechtsprechung jedoch bei überdurchschnittlichen Einkommensverhältnissen dahingehend durchbrochen, als dass in diesem Fall eine konkrete Bedarfsermittlung zu erfolgen hat. Wann "überdurchschnittliche Einkommensverhältnisse" vorliegen, wird nicht einheitlich beurteilt und muss jeweils im Einzelfall geprüft werden; entscheidend ist u.a. der Wohnort (und damit auch der zuständige OLG-Bezirk) und das dort vorherrschende Niveau von Einkünften und Lebenshaltungskosten. Als grober Richtwert für die Überdurchschnittlichkeit des Einkommens kann allerdings gemeinhin ein Einkommen von 6.000 Euro und mehr gelten.
Bedürftigkeit liegt nur insoweit vor, als dass der unterhaltsberechtigte Ehegatte sich nicht aus eigenem Einkommen und Vermögen selbst unterhalten kann (§ 1577 Abs. (1) BGB). Hinsichtlich des einzusetzenden eigenen Vermögens ist zu unterscheiden zwischen dem Vermögensstamm und den Vermögenserträgen. Vermögenserträge sind voll einzusetzen, der Vermögensstamm muss demgegenüber nur dann angegriffen werden, wenn die Verwertung nicht unwirtschaftlich oder unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse der (ehemaligen) Ehegatten unbillig wäre (§ 1577 Abs. (3) BGB).
Seine Leistungsfähigkeit kann der Unterhaltspflichtige nur dann wirksam bestreiten, wenn er oder sie nach Erwerbs- und Vermögensverhältnissen, sonstigen Verpflichtungen und eigenem angemessenen Unterhalt billigerweise nicht oder nicht über einen bestimmten Betrag hinausgehend dazu in der Lage ist, Unterhalt zu leisten (§ 1581 BGB).
Als Begrenzungstatbestände kommen die Unbilligkeitsschranken aus § 1578b BGB und § 1579 BGB in Betracht. Das Gesetz unterscheidet hier zwischen Höhenbegrenzung, zeitlicher Befristung, Beschränkung und gänzlicher Versagung des Unterhalts. Es handelt sich hierbei um Härtefallregelungen, die dem Unterhaltsschuldner (und dem Familiengericht) die Korrektur unbilliger Ergebnisse im konkreten Einzelfall ermöglichen sollen, etwa bei lediglich kurzer Ehedauer oder schweren Verfehlungen des Anspruchstellers gegenüber dem Unterhaltsschuldner.
Schließlich sind noch die familienrechtlichen Regelungen zum Erlöschen des Anspruchs auf Ehegattenunterhalt zu nennen, namentlich:
Der Tod des Unterhaltsberechtigten (§ 1586 Abs. (1) BGB);
die Widerheirat des Unterhaltsberechtigten (§ 1586 Abs. (1) BGB);
der Unterhaltsverzicht (vgl. § 397 Abs. (1) BGB);
der Wegfall der Tatbestandsvoraussetzungen eines ehemals einschlägigen Unterhaltstatbestandes; sowie
die Zahlung einer Kapitalabfindung (§ 1585 Abs. (2) BGB).
Hinweis: Vererblichkeit von entstandenen Unterhaltsansprüchen
Verstirbt der Unterhaltsverpflichtete, geht der Unterhaltsanspruch nicht ohne weiteres unter, sondern geht auf die Erben über (§ 1922 BGB).
(3.2(c)) Doppelverwertungsverbot
Zugewinnausgleich und Unterhaltsanspruch stehen in einem gewissen Spannungsverhältnis zueinander: Vermögenspositionen, die bereits über den Zugewinn ausgeglichen worden sind, können stellenweise theoretisch auch für die Berechnung des Unterhalts relevant sein.
Insoweit gilt allerdings das Verbot der Doppelverwertung: Eine Position, die bereits beim Zugewinn in Ausgleich gebracht wurde, darf nicht nochmals bei der Berechnung des Unterhalts berücksichtigt werden.
Hinweis: Herausrechnen von Unternehmerlohn
Eine Konsequenz dieses Doppelverwertungsverbotes ist etwa, dass ein real gerechtfertigter Unternehmerlohn bei Berechnung des Zugewinns herauszurechnen ist, damit er anschließend zur Berechnung des Unterhaltsanspruchs herangezogen werden darf (vgl. BGH, Urteil v. 06.02.2008 − Az. XII ZR 45/06).
(3.3) Gesetzlicher Versorgungsausgleich im deutschen Familienrecht nach dem Versorgungsausgleichsgesetz (VersAusglG)
(3.3(a)) Grundidee des Versorgungsausgleichs
Der gesetzliche Versorgungsausgleich dient (ebenso wie der Zugewinnausgleich) der Aufteilung von gemeinsam erwirtschaftetem Vermögen der Ehegatten, das lediglich aufgrund der Aufgabenverteilung innerhalb der Ehe formal einem der Ehegatten alleine zugeordnet ist (vgl. BVerfG, Beschluss v. 20.05.2003 − Az. 1 BvR 237/97).
Mit anderen Worten: Der Ehegatte, der während der Ehedauer höhere Anwartschaften bei der Altersversorgung erwirtschaftet hat, soll dem anderen Ehegatten Ausgleich leisten. Besonders deutlich wird dieser Sinn und Zweck in der Einverdienerehe: Während der erwerbstätige Ehegatte fortlaufend Versorgungsansprüche etwa in der Deutschen Rentenversicherung (DRV) erwirbt, erlangt der als Hausfrau / Hausmann tätige andere Ehegatte keine solchen Anwartschaften für seine häusliche Arbeit.
Hinweis: Unerheblichkeit der Leistungsfähigkeit des Ausgleichsverpflichteten
Anders als im Unterhaltsrecht kommt es beim Versorgungsausgleich (wie auch beim Zugewinnausgleich) nicht auf die Leistungsfähigkeit des Ausgleichsverpflichteten an. Dies liegt daran, dass der Versorgungsausgleich (wie auch der Zugewinnausgleich) letztlich eine Teilhabe des wirtschaftlich unterlegenen Ehegatten an bereits erwirtschafteten Vermögenspositionen sicherstellt. Der Unterhaltsanspruch ist demggü. zukunftsgerichtet und belastet fortlaufend die künftigen Cashflows des Unterhaltsverpflichteten.
(3.3(b)) Abgrenzung zwischen Zugewinnausgleich und Versorgungsausgleich
Aufgrund der systematischen Verwandtschaft von Zugewinnausgleich und Versorgungsausgleich kann es zu Überschneidungen kommen, wobei ein Recht bzw. eine Anwartschaft denklogisch nur einem der beiden Ausgleichssysteme unterfallen kann.
In den Versorgungsausgleich fallen: Rentenversicherung, Beamtenversorgung, Betriebliche Altersversorgung, Berufsständische Versorgung (z.B. Versorgungswerk der Landesärztekammer, Versorgungswerk der Rechtsanwälte, Versorgungswerk der Architekten), sowie Versicherungspolicen zur privaten Alters- und Invaliditätsvorsorge, soweit sie nicht als Kapitallebensversicherungen dem Zugewinnausgleich unterliegen.
Hinweis: Übergriff in den Zugewinn aus Billigkeitsgründen
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Beschluss v. 08.10.2014 − Az. XII ZB 318/11) kann allerdings im Ausnahmefall eine Durchbrechung der Grenze zwischen Güterrecht und Versorgungsausgleich notwendig sein.
Im konkreten Fall hatten die Ehegatten ehevertraglich Gütertrennung vereinbart. Da sich alle Altersversorgungen aber im Zugewinn des (eigentlich nicht) ausgleichspflichtigen Ehepartners befanden, entschied der BGH, dass aus Billigkeitsgründen ausnahmsweise ein Übergreifen in den Bereich des Zugewinns geboten ist, um den Versorgungsausgleich durchzuführen.
(3.3(c)) Interne Teilung vs. Externe Teilung beim Versorgungsausgleich
Das Versorgungsausgleichsgesetz (VersAusglG) unterscheidet grds. zwischen der internen Teilung und der externen Teilung von Versorgungsansprüchen bzw. Versorgungsanwartschaften.
Bei einer internen Teilung findet eine reale Teilung des Vermögensrechts beim Versorgungsträger statt; eine Entwicklungsprognose wird damit überflüssig. Bei einer externen Teilung wird das Vermögensrecht geteilt und der Teil des Ausgleichsberechtigten auf dessen eigenen Versorgungsträger überwiesen.
Aufgrund der einfacheren Abwicklung ist die interne Teilung heute der Standardfall; eine externe Teilung kommt nur noch in Ausnahmefällen in Betracht (z.B. auf Verlangen des Versorgungsträgers und ggf. bei Landesbeamten).
(4) Ehe mit Ehevertrag: Die richtige Lösung für Unternehmer, Manager und Investoren
Nach all den dargestellten Risiken, Unwägbarkeiten und Nachteilen der gesetzlichen Regellage werden Bedeutung und Sprengkraft des Ehevertrages mehr als deutlich. Nur mit Hilfe einer ausgewogenen Vereinbarung mit Ihrem Ehepartner können Sie die gesetzlichen Scheidungsfolgen für Investments, Unternehmen bzw. Unternehmensanteile, Altersvorsorge und sonstiges Privatvermögen so weit wie möglich individualvertraglich auf ein erträgliches Maß abschwächen.
In der Beyond Return Ausgabe zum Thema “Ehevertrag: Gütertrennung vs. Modifizierte Zugewinngemeinschaft für Unternehmer, Manager, Investoren” gebe ich einen systematischen Überblick über die Regelungsgegenstände eines modernen Ehevertrages.
Rein familienrechtlich betrachtet ist die Ehe übrigens immer ein familienrechtlicher Vertrag zwischen ehemündigen Personen − egal ob Sie nun mit oder ohne Ehevertrag heiraten. Anders ausgedrückt: "Selbst, wenn Sie keinen Ehevertrag abschließen, schließen Sie einen Ehevertrag ab". Dessen Inhalt wird bei Fehlen eines individuell vereinbarten Ehevertrages allerdings nicht durch von Ihnen gewählte Bedingungen bestimmt, sondern durch die gesetzlichen Vorschriften von BGB und VersAusglG.
Hinweis: Abzugrenzen vom traditionellen Ehevertrag ist die sog. Scheidungsfolgenvereinbarung, die alternativ in einer akut scheidungsgefährdeten Ehe sinnvoll sein kann (dazu unten, Abschnitt 5).
(4.1) Güterstandsklauseln in Gesellschaftsverträgen
Bisweilen ist der Abschluss eines Ehevertrages für Sie sogar obligatorisch: Viele Gesellschaftsverträge enthalten eine sog. Güterstandsklausel, wonach jeder Gesellschafter zwingend dafür Sorge zu tragen hat, dass entweder Gütertrennung vereinbart oder die Gesellschaftsanteile aus dem Zugewinn herausgenommen werden (zu den einzelnen güterstandsrechtlichen Möglichkeiten in einem Ehevertrag sogleich mehr).
Die Güterstandsklausel bildet damit einen wesentlichen Bestandteil der Satzung von Familienunternehmen, wird daneben aber auch in anderen Bereichen eingesetzt, die eine Stabilität des Gesellschafterkreises zwingend voraussetzen, etwa Private Equity und Venture Capital.
In der Beyond Return Ausgabe zum Thema “Ehevertrag bei GmbH und GmbH & Co. KG” erläutere ich die Risiken der Eheschließung eines Gesellschafters aus Perspektive des Unternehmens sowie die damit verknüpften Thematiken Güterstandsklausel und Ausschluss- bzw. Einziehungsmechanismus.
(4.2) Mögliche Regelungsgegenstände eines Ehevertrages
Auch für den Ehevertrag gilt aus anwaltlicher Sicht die eingangs beschriebene thematische Dreiteilung: Üblicherweise werden güterrechtliche, unterhaltsrechtliche und versorgungsrechtliche Regelungen vereinbart. Sofern einer der Ehepartner eine Unternehmensbeteiligung oder andere volatile Assets hält, sollten auch immer Vereinbarungen zur Bewertungsmethode im Trennungsfall getroffen werden (dazu siehe bereits oben, Abschnitt 3.1(d)).
Daneben können aber selbstverständlich noch weitere Vereinbarungen zwischen den Ehepartnern vertraglich fixiert werden, wie etwa eine Mitarbeit des einen Ehepartners im Unternehmen des anderen Ehepartners oder die Zuordnung bzw. Zuwendung bestimmter Gegenstände wie Gesellschaftsanteile, Immobilien oder sonstige Wertanlagen an den jeweils anderen Ehegatten.
Die konkret gebotenen Inhalte Ihres Ehevertrages sind dabei höchst individuell: Neben Ihren persönlichen Lebensumständen (Alter, berufliche Situation, Vermögenswerte im In- und Ausland, Familienplanung, künftige Erbschaften, usw.) müssen auch den stetigem Wandel unterworfenen Anforderungen der Rechtsprechung an die Gestaltung von Eheverträgen Rechnung getragen werden.
Zudem ist zu beachten, dass der Abschluss eines Ehevertrages strengen formalen Anforderungen unterliegt (vgl. § 1410 BGB; § 1408 Abs. (2) BGB iVm. § 7 VersAusglG; § 1585c BGB; § 311b Abs. (1) BGB; § 794 Abs. (1) Nr. 5 ZPO).
Aufgrund dieser hohen Individualität und der strengen Formanforderungen sollten Sie sich bei der Gestaltung und Vollziehung von Eheverträgen (auch jenseits der notwendigen notariellen Beurkundung) unbedingt anwaltlich beraten lassen.
(4.3) Der beste Zeitpunkt für einen Ehevertrag und die Frage, ob ein Ehevertrag auch nachträglich abgeschlossen werden kann
Grundsätzlich gilt: Je früher Sie einen Ehevertrag abschließen, desto besser. Dabei sollte die Verhandlung des Ehevertrages nicht erst nach Beginn der Hochzeitsvorbereitungen (und Eingehung damit verbundener Verbindlichkeiten) begonnen werden, weil dies den Eindruck einer Drucksituation begründen könnte (zur sog. Imparität siehe unten, Abschnitt 4.4(c)).
Daneben wird in Rechtsprechung und Literatur teilweise vertreten, dass die Schwangerschaft der Ehefrau zu einer Schwächung ihrer Verhandlungsposition führen kann. Um insoweit kein Risiko einzugehen, sollte ein Ehevertrag möglichst vor einer Schwangerschaft abgeschlossen werden oder jedenfalls erst nach Eheschließung mit der schwangeren Frau.
Im Übrigen kann ein Ehevertrag grundsätzlich jederzeit geschlossen werden, also auch bei bereits länger bestehender Ehe. Auch spätere Änderungen eines einmal geschlossenen Ehevertrages sind prinzipiell jederzeit möglich.
Hinweis: Vorsicht vor dem steuerrechtlichen Missbrauchsverbot
Allzu häufige oder zeitlich eng beieinander liegende Güterstandswechsel sollten jedoch stets im Hinblick auf das steuerrechtliche Missbrauchsverbot (§ 42 AO) vor Durchführung wohl durchdacht sein; zur sog. Güterstandsschaukel anlässlich der Ausnutzung der steuerlichen Privilegierung des Güterrechts vgl. unten, Abschnitt 4.5(e).
(4.4) Gesetzliche Grundlagen und Inhaltskontrolle beim Ehevertrag nach der Rechtsprechung von Bundesverfassungsgericht (BVerfG) und Bundesgerichtshof (BGH)
Die deutsche Verfassung hat den Begriff der Ehe in Artikel 6 GG bewusst undefiniert gelassen: Der Verfassungsgeber wollte 1949 − abgesehen von ein paar wenigen Strukturprinzipien − gerade keine inhaltlichen Vorgaben dazu treffen, wie Bürger ihr Ehe- und Familienleben zu gestalten haben.
Daraus ergibt sich sodann auch das Recht der Ehegatten, die Bedingungen ihrer Ehe grundsätzlich frei zu gestalten; oder anders formuliert: das verfassungsrechtlich gewährleistete Prinzip der Ehevertragsfreiheit. Nur, wenn und soweit Sie und Ihr Ehepartner keine vertraglichen Abreden zur Regelung Ihrer ehelichen Verhältnisse treffen, bleibt überhaupt Raum für das gesetzliche Familienrecht.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) ist allerdings immer dann eine die Vertragsfreiheit der Eheleute einschränkende Inhaltskontrolle geboten, wenn eine erheblich ungleiche Verhandlungsposition vorliegt und der unterlegenen Partei in einseitiger Weise besondere Lasten aufgebürdet werden (vgl. BVerfG, Urteil v. 06.02.2001 – 1 BvR 12/92).
Es geht hier also um eine Missbrauchskontrolle: Die Rechtsprechung kann und muss nach Ansicht der deutschen Verfassungsrichter korrigierend eingreifen, wenn ein Ehepartner durch vertragliche Vereinbarung gegenüber dem anderen Ehepartner in unbilliger Weise übervorteilt wird. Wann dies der Fall ist, ist naturgemäß Einzelfallfrage: So wird etwa die "Hausfrauen-Ehe" aufgrund eines wirtschaftlichen Ungleichgewichts zwischen den Ehegatten grundsätzlich anders zu behandeln sein als die Doppelverdienerehe ohne Kinderwunsch ("DINK"-Ehe).
Daneben hat das Familienrecht selbstverständlich auch noch eine sozialpolitische Dimension: Der moderne (Sozial-) Staat hat ein Interesse daran, die Vermögensverhältnisse seiner Bürger zu ordnen und letztlich den vermögenden Ex-Partner zur Kasse zu bitten, bevor der Lebensunterhalt seiner Ex-Partnerin bzw. seines Ex-Partners und eventueller gemeinsamer Kinder durch staatliche Sozialleistungen gesichert werden muss − wenngleich dieser Aspekt natürlich durch die zivilgerichtliche Rechtsprechung nicht explizit in den Vordergrund gestellt wird.
Eine unmittelbare Konsequenz aus dieser höchstrichterlich determinierten Überprüfung von Eheverträgen ist die hohe Dynamik und Komplexität von Ehevertragsrecht und Ehevertragsgestaltung, die damit zwangsläufig auch und gerade dem gesellschaftlichen Zeitgeist unterworfen werden.
Den "einen richtigen Weg" der Ehevertragsgestaltung gibt es besonders bei Unternehmern, Managern und Privatinvestoren nicht; stattdessen muss anhand der einschlägigen Rechtsprechung von BGH und Obergerichten für jeden Einzelfall ein den Vorstellungen der Eheleute entsprechender Klauselkatalog entworfen werden, der im Lichte der Rechtsprechung voraussichtlich Bestand haben wird.
Auch sollten einmal abgeschlossene Eheverträge einem regelmäßigen anwaltlichen Review unterzogen werden, um Änderungen in der Rechtsprechung (die schlimmstenfalls zu einer Gesamtunwirksamkeit des Ehevertrages führen können!) zu reflektieren. Eine solche Überprüfung kann auch gleich zum Anlass genommen werden, Steuervorteile auszunutzen und damit sogar "am Ende noch Geld rauszubekommen" (zum Steuersparmodell der sog. Güterstandsschaukel siehe Abschnitt 4.5(e)).
(4.4(a)) Wirksamkeitskontrolle vs. Ausübungskontrolle
Der Bundesgerichtshof (und mit ihm die verschiedenen deutschen Obergerichte) haben seit 2004 eine komplexe Dogmatik zur Beurteilung der Wirksamkeit von Eheverträgen herausgearbeitet, um die Aussagen des Bundesverfassungsgerichts zur Missbrauchskontrolle zu präzisieren. Im Wesentlichen sind dabei die Wirksamkeitskontrolle und die Ausübungskontrolle von Eheverträgen zu unterscheiden:
Die richterliche Wirksamkeitskontrolle − dogmatisch gestützt auf § 138 Abs. (1) BGB (Sittenwidrigkeit) − bestimmt, ob eine bestimmte Klausel im Ehevertrag überhaupt vereinbart werden darf bzw. durfte.
Die Ausübungskontrolle − dogmatisch gestützt auf § 242 BGB (Treu und Glauben) − beurteilt, ob sich der begünstigte Ehegatte später im familiengerichtlichen Verfahren auf eine ursprünglich wirksam im Ehevertrag vereinbarte Klausel auch tatsächlich berufen darf.
Beispiel:
Beide Ehepartner sind im Zeitpunkt des Abschlusses des Ehevertrages bereits über 40 Jahre alt, karriereorientiert und darüber einig, dass sie keine Kinder möchten. Im Ehevertrag wird deshalb der gesetzliche Unterhaltsanspruch der Ehefrau wegen Betreuung eines Kindes (§ 1570 BGB) über einen Generalverzicht ausgeschlossen. Unerwartet wird die Ehefrau dennoch in Jahr 3 der Ehe schwanger und reicht in Jahr 5 die Scheidung ein.
Aufgrund des fehlenden Kinderwunsches, des fortgeschrittenen Lebensalters und der Lebensplanung der Ehegatten bei Abschluss des Ehevertrages dürfte der Ausschluss von Kindesbetreuungsunterhalt zwar der richterlichen Wirksamkeitskontrolle im Lichte von § 138 Abs. (1) BGB (Sittenwidrigkeit) standhalten, jedoch besteht ein hohes Risiko, dass die Klausel aufgrund einer Änderung der Lebensumstände im Wege der richterlichen Ausübungskontrolle über § 242 BGB (Treu und Glauben) für nicht mehr anwendbar erklärt wird; der Unterhaltsanspruch dient nämlich dem besonders geschützten Wohl des gemeinsamen Kindes.
Richterliche Wirksamkeitskontrolle und Ausübungskontrolle wurden in den vergangenen zwei Jahrzehnten in zahlreichen Gerichtsentscheidungen präzisiert und sind nach wie vor stetigem Wandel und tiefergehender Präzisierung unterworfen.
Dabei haben sich bislang zwei wesentliche Beurteilungsaspekte herauskristallisiert: Die Kernbereichslehre einerseits und die Imparität andererseits. Daneben unterziehen die Familiengerichte Eheverträge regelmäßig noch einer abschließenden Gesamtabwägung, die letztlich verbliebene Unbilligkeiten korrigieren soll.
(4.4(b)) Kernbereichslehre des BGH: Missbrauchskontrolle anhand Schutzzweck familienrechtlicher Normen
Nach der Rechtsprechung endet die Ehevertragsfreiheit dort, wo der Schutzzweck der familienrechtlichen Normen unterlaufen wird. Eine Schutzzweckverletzung liegt dann vor, wenn der Ehevertrag eine evident einseitige Lastenverteilung vorsieht, die nicht durch individuelle Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse gerechtfertigt und für den belasteten Ehepartner schlechterdings unzumutbar ist.
Seit einer Leitentscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 2004 (BGH, Urteil v. 11.02.2004 – Az. XII ZR 265/02) und weiteren konkretisierenden Entscheidungen (dazu siehe Entscheidungsübersicht in Abschnitt 4.8) wenden die Familiengerichte zur Überprüfung von Eheverträgen auf eine familienrechtliche Schutzzweckverletzung die sog. Kernbereichslehre an.
Die Kernbereichslehre besteht aus einer Abstufung der Scheidungsfolgenansprüche:
Stufe 1 − Unterhalt wegen Betreuung eines Kindes (Kinderbetreuungsunterhalt), § 1570 BGB: Aufgrund des immanenten Kindeswohlinteresses sind Eingriffe in Stufe 1 via Ehevertrag nur in sehr engen Grenzen möglich, wobei es u.a. darauf ankommt, ob es um Basisunterhalt oder eine Verlängerung geht.
Stufe 2a − Unterhalt wegen Krankheit oder Gebrechen (Krankheitsunterhalt), § 1572 BGB; Unterhalt wegen Alters (§ 1571 BGB): Ehevertragliche Beschränkungen auf Stufe 2a sind in engen Grenzen möglich, insbesondere wenn der Eintritt des Unterhaltsfalles bereits bei Abschluss des Ehevertrages absehbar war und die Ehevertragsparteien insoweit eine informierte, bewusste Entscheidung getroffen haben (etwa wegen bereits bekannter Erkrankung(en) und/oder einer Eheschließung in fortgeschrittenem Alter).
Stufe 2b − Versorgungsausgleich (VersAusglG): Die Zulässigkeit von Beschränkung oder Ausschluss des Versorgungsausgleichs auf Stufe 2b ist davon abhängig, inwieweit beim verzichtenden Ehepartner während der Ehezeit relevante ehebedingte Nachteile zu erwarten sind (z.B. absehbare längere Babypause / Ruhenlassen der Berufstätigkeit wegen Kindererziehung; Lebensalter der Ehegatten bei Abschluss des Ehevertrages).
Stufe 3 − Unterhalt wegen Erwerbslosigkeit und Aufstockungsunterhalt (§ 1573 BGB); Ausbildungsunterhalt (§ 1575 BGB): Großes ehevertragliches Gestaltungspotenzial auf dieser Stufe, da seit der Unterhaltsreform 2008 die Lebensstandardgarantie abgeschafft wurde und an deren Stelle der Grundsatz der Eigenverantwortung (§ 1569 BGB) getreten ist.
Stufe 4 − Zugewinnausgleich (§ 1372 BGB): Größtes Gestaltungspotenzial, da der Zugewinn nach der Rechtsprechung des BGH nicht an eine konkrete Bedarfslage des verzichtenden Ehegatten anknüpft. Sollte der verzichtende Ehegatte im Scheidungsfall kein ausreichendes Vermögen haben und dadurch eine Versorgungslücke auftreten, wird diese vorrangig unterhaltsrechtlich über die in den Stufen 1 bis 3 getroffenen oder gesetzlich durchschlagenden Regelungen gelöst.
Im Fokus der Gerichte steht bei Anwendung der Kernbereichslehre häufig der Begriff des ehebedingten Nachteils. Ehebedingte Nachteile können sich für den verzichtenden Ehegatten etwa durch Pflege, Betreuung und Erziehung gemeinsamer Kinder oder der Verteilung von das Haushaltseinkommen generierender Erwerbsarbeit während der Ehedauer ergeben.
Immer dann, wenn ehebedingte Nachteile für den verzichtenden Ehegatten entstehen, die nicht anderweitig ausgeglichen werden, kommt prinzipiell eine Schutzzweckverletzung "im Kernbereich" in Betracht.
Für die Gestaltungspraxis bedeutet dies, dass wir bei der Erstellung Ihres Ehevertrages entstehende ehebedingte Nachteile anderweitig ausgleichen und dadurch das Risiko der gerichtlichen Kassation einer Klausel im Ehevertrag minimieren können.
Beispiel:
Statt den Versorgungsausgleich gänzlich und kompensationslos auszuschließen, kann eine individuell angepasste Rücktrittsregelung mit Höchstbetrag vorgesehen werden und im Übrigen eine ausgewogene Unterhaltsregelung vereinbart werden.
(4.4(c)) Imparität: Missbrauchskontrolle bei verwerflicher Ausnutzung einer Drucksituation
Neben der Kernbereichslehre bildet die sog. Imparität ein wichtiges Prüfungskriterium der Rechtsprechung zum Ehevertrag. Mit Imparität gemeint ist die verwerfliche Ausnutzung der Unterlegenheit des einen Ehepartners und die dadurch geschaffene Drucksituation, dem vom anderen Ehegatten vorgelegten Ehevertrag zuzustimmen.
Beispiel:
Der Mann legt seiner arbeitslosen, hochschwangeren Freundin einen Ehevertrag vor und gibt ihr unmissverständlich zu verstehen, dass er sie nur dann heiraten und bei ihr bleiben werde, wenn sie die dort vorgesehenen Regelungen akzeptiert.
Hier würde die Rechtsprechung höchstwahrscheinlich von einer Unwirksamkeit des gesamten Ehevertrages wegen Imparität ausgehen.
(4.4(d)) Individualität, Teilunwirksamkeit und Vermeidung der Gesamtunwirksamkeit
Was ehevertraglich geregelt werden kann und sowohl der richterlichen Wirksamkeitskontrolle als auch der Ausübungskontrolle standhält, ist also äußerst individuell.
Die größten gestalterischen Freiheiten ergeben sich naturgemäß beispielsweise im Falle der "DINK"-Ehe (double income no kids), bei der auch kein Kinderwunsch besteht. Bringt die Ehe dennoch Kinder hervor, können ursprünglich vereinbarte Regelungen im Zuge der Ausübungskontrolle aber trotzdem durch das Familiengericht kassiert werden.
Daneben führt nach der Rechtsprechung eine unwirksame Klausel zur Unwirksamkeit des gesamten Ehevertrages, wenn sich entweder die Sittenwidrigkeit aus der Gesamtschau der vertraglichen Abreden ergibt oder nur eine einzelne Klausel nichtig ist und davon auszugehen ist, dass die Parteien ohne diese Klausel den Vertrag gar nicht geschlossen hätten. In letzterem Fall kann allerdings eine gut gestaltete salvatorische Klausel helfen.
Eine Teilunwirksamkeit kann bei einem Ehevertrag also nach den Grundsätzen von § 139 BGB zu einer Gesamtunwirksamkeit führen. Daneben ist es wichtig zu beachten, dass die Rechtsprechung eine sog. geltungserhaltende Reduktion ablehnt. So findet im Falle der Teilunwirksamkeit gerade keine Reduktion auf das "gerade noch Mögliche" durch das Gericht statt.
(4.4(e)) Prinzip der Gesamtabwägung
Neben der Wirksamkeitskontrolle und der Ausübungskontrolle nimmt die Rechtsprechung bei Prüfung der Rechtmäßigkeit von Eheverträgen im letzten Schritt regelmäßig noch eine Gesamtabwägung vor. Diese Gesamtabwägung kann sich auch über mehrere Vertragsdokumente erstrecken, etwa wenn die Eheleute die Regelung ihrer ehelichen Beziehung mit verschiedenen (Einzel-) Vereinbarungen im Laufe der Zeit konkretisiert haben.
Betrachtet werden insoweit die Motive der Ehegatten für die Eingehung des konkreten Ehevertrages (sowie etwaiger Folgevereinbarungen), die Gesamtumstände des Zustandekommens und die einer richterlichen Prüfung zugänglichen Absichten der Parteien für die Zukunft im Zeitpunkt des jeweiligen Vertragsschlusses.
Hinweis: Für diese Gesamtabwägung existiert bislang kein einheitlicher juristischer Rahmen, weswegen auch insoweit anhand von bereits ergangener Rechtsprechung und konkretem Sachverhalt gearbeitet werden muss.
(4.5) Ehevertrag und Güterrecht: Abweichungen vom gesetzlichen Zugewinnausgleich
Sehen wir uns nun nach dieser Grundlagendarstellung im nächsten Schritt einmal an, inwieweit das eheliche Güterrecht bzw. der Güterstand der Ehegatten ehevertraglich abgeändert werden kann.
Nach der Kernbereichslehre des BGH gehört das Güterrecht zu Stufe 4 und ist damit vergleichsweise umfassend in Abweichung von den Vorschriften des BGB ehevertraglich regelbar. Dies liegt darin begründet, dass der gesetzliche Zugewinnausgleich (§§ 1372 ff. BGB) nicht wie der Unterhalt auf künftige Bedarfe abstellt, sondern lediglich im Scheidungsfall einen Vermögensausgleich für die Vergangenheit herstellen soll (Teilhabegedanke). Inwieweit ein solcher Vermögensausgleich im Scheidungsfall erfolgen soll, ist jedoch gerade wesentlicher Gegenstand der verfassungsrechtlich gewährleisteten Ehevertragsfreiheit (Ausnahmen sind allerdings z.B. bei der Diskrepanzehe denkbar).
Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main stellte in diesem Zusammenhang bereits 2005 trennscharf fest:
"Das Gebot der ehelichen Solidarität erfordert keine wechselseitige Vermögensbeteiligung der Ehegatten. Deren Verantwortung füreinander trägt das Unterhaltsrecht Rechnung. Das Güterrecht knüpft nicht an Bedarfslagen an. Grob unbillige Versorgungsdefizite sind vorrangig im Unterhaltsrecht zu korrigieren. Der Bundesgerichtshof hat dargelegt, dass sich die Berufung auf eine wirksame vereinbarte Gütertrennung nur unter engsten Voraussetzungen als rechtsmissbräuchlich erweisen dürfte [...]."
(OLG Frankfurt am Main, Urteil v. 20.07.2005 − Az. 5 UF 75/04)
Die in der Praxis wichtigsten ehevertraglichen Abweichungen vom Prinzip des vollständigen Zugewinnausgleichs bilden die Gütertrennung einerseits und die Modifizierung des Zugewinnausgleichs (modifizierte Zugewinngemeinschaft) andererseits.
(4.5(a)) Güterstand der Gütertrennung (§ 1414 BGB)
Die Gütertrennung führt, wie der Name bereits nahelegt, zu einer vollständigen Trennung der Vermögenssphären beider Ehegatten; und das grds. ohne einen Vermögensausgleich im Scheidungsfall. Mangels einer entstehenden Verflechtung der Vermögensverhältnisse ist die Gütertrennung deshalb theoretisch gerade bei Existenz unternehmerischen Vermögens gut händelbar.
Die Rechtsprechung hat allerdings insbesondere im Hinblick auf die Gütertrennung zur Herstellung von Einzelfallgerechtigkeit bestimmte Durchbrechungen entwickelt, die letztlich zu einer Art "Zugewinnausgleich aus Gerechtigkeitsgründen" führen können. Dogmatisch gestützt wird dies insbesondere auf die Figuren der Ehegatteninnengesellschaft sowie eine Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB). Daneben kann ein stillschweigend geschlossenes Dienst- bzw. Arbeitsverhältnis in Betracht kommen.
Beispiel:
Ehemann (M) und Ehefrau (F) haben Gütertrennung vereinbart. M gründet während der Ehe ein Unternehmen, bei dessen Aufbau die F unter hohem persönlichen Zeitaufwand ohne Vergütung mitarbeitet. Als M später die Scheidung einreicht, hat das Unternehmen einen Wert von mehreren Millionen Euro.
Nach der Rechtsprechung kann hier trotz der vereinbarten Gütertrennung ein Vermögensausgleichsanspruch der F aus Billigkeitsgründen bestehen.
Ein großer Nachteil bei Vereinbarung einer Gütertrennung liegt ferner darin begründet, dass die steuerliche Privilegierung in § 5 ErbStG nicht angewendet werden kann und damit erhebliches Steuersparpotenzial ungenutzt bleibt: Das deutsche Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht privilegiert bestimmte Vermögensverschiebungen von einem Ehegatten auf den anderen Ehegatten im Wege eines familienrechtlich geschuldeten Zugewinnausgleichs − sowohl im Falle des Zugewinnausgleichs von Todes wegen (§ 5 Abs. (1) ErbStG) als auch im Falle des Zugewinnausgleichs unter Lebenden (§ 5 Abs. (2) ErbStG).
Ferner kann die Gütertrennung zu von den Ehegatten als ungerecht empfundenen Ergebnissen führen und/oder beim wirtschaftlich unterlegenen Ehegatten kraft ihrer schon begrifflich innewohnenden Wortgewalt eine ablehnende Haltung auslösen − die Eingehung einer Ehe möchte man schließlich nicht zwangsläufig gleich mit dem Begriff einer “Trennung” in Verbindung gebracht wissen.
In der Gestaltungspraxis ist deshalb für Unternehmer, Manager und Investoren in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle die bloße ehevertragliche Modifikation der Zugewinngemeinschaft einem gänzlichen Güterstandswechsel in die Gütertrennung regelmäßig vorzuziehen.
(4.5(b)) Modifizierte Zugewinngemeinschaft (1): "Gütertrennung für den Scheidungsfall"
So kann etwa lediglich für den Fall des Zugewinnausgleichs unter Lebenden aufgrund Scheidung ein Ausschluss des Zugewinnausgleichanspruchs vereinbart werden, der Zugewinnausgleich von Todes wegen (also im Erbfall) jedoch unbeschränkt bestehen bleiben (sog. "Gütertrennung für den Scheidungsfall"). Flankierend werden normalerweise zudem die Verfügungsbeschränkungen der § 1365 BGB und § 1369 BGB aufgehoben.
Im Erbfall kann der überlebende Ehegatte dann von der steuerlichen Privilegierung des § 5 Abs. (1) ErbStG profitieren bei gleichzeitiger Erzielung der ehevertraglich gewünschten güterrechtlichen Scheidungsfolge. Aus erbrechtlicher Sicht bleibt dem überlebenden Ehegatten zudem die Erbteilserhöhung um ein Viertel gem. § 1371 Abs. (1) BGB erhalten.
Hinweis: Die Redewendung "Gütertrennung für den Scheidungsfall" ist missverständlich. Es handelt sich hier nicht um eine originäre Gütertrennung i.S.v. § 1414 BGB, sondern lediglich (wie oben dargestellt) um eine Modifizierung der Zugewinngemeinschaft für den Scheidungsfall, die technisch betrachtet den Effekt einer Gütertrennung für den Fall der Scheidung erzeugt.
(4.5(c)) Modifizierte Zugewinngemeinschaft (2): Herausnahme von Betriebsvermögen aus dem Zugewinnausgleich
In meiner Beratungspraxis am beliebtesten ist schließlich die Herausnahme von Betriebsvermögen aus dem gesetzlichen Zugewinnausgleich. Sie erreicht für Unternehmer, Manager und Privatinvestoren im Ergebnis den Effekt einer partiellen Gütertrennung bei gleichzeitiger Erhaltung der steuerlichen Vorteile für den weiterhin dem Zugewinnausgleich unterworfenen Vermögensteil.
Die Grundidee hinter der Herausnahme von Betriebsvermögen aus dem Zugewinn ist die ehevertragliche Bildung zweier getrennter Vermögensmassen:
(Erstens) einem Privatvermögen des künftig ausgleichspflichtigen Ehegatten, das im Scheidungsfall zum Ausgleich des Zugewinns für den berechtigten Ehegatten zur Verfügung stehen soll; sowie
(Zweitens) einem Betriebsvermögen, das dem Zugewinnausgleich entzogen sein und letztendlich den Fortbestand des unternehmerischen Vermögens bzw. des Unternehmens durch Unterbindung liquiditätsbelastender Abflüsse sicherstellen soll.
Die große Herausforderung aus anwaltlicher Sicht liegt insoweit darin, das Betriebsvermögen begrifflich möglichst trennscharf vom Privatvermögen abzugrenzen, um Auslegungsschwierigkeiten im Scheidungsverfahren vorzubeugen.
Auch muss der Ehevertrag Regelungen für etwaige Änderungen im Betriebsvermögen vorsehen (z.B. Umwandlung des Unternehmens, Formwechsel, Konzernbildung, Unternehmensverkauf, Bildung eines Joint Venture) und, im Falle einer Beteiligung von Personengesellschaften, Anordnungen für den Umgang mit Sonderbetriebsvermögen treffen.
Hinweis: Vertragliche Präzisierung des “Betriebsvermögens”
Von einer bloßen ehevertraglichen Regelung, wonach "alles betriebliche Vermögen vom Zugewinnausgleich ausgeschlossen" sein soll, kann ich nur dringend abraten. Der Begriff "Betriebsvermögen" ist kein zweifelsfrei gesetzlich definierter Begriff; spätere Streitigkeiten in einem Scheidungsverfahren sind damit vorprogrammiert. Selbst im Steuerrecht wird der Begriff (je nach Steuerart) ganz unterschiedlich gebraucht und definiert: Im Erbschaftsteuerrecht etwa anders als im Einkommensteuerrecht. Arbeiten Sie hier unsauber, ist ein Ehevertrag schlimmstenfalls faktisch wertlos, wenn es zur Scheidung kommt.
Schließlich ist je nach Einzelfall darauf zu achten, dass die Herausnahmeregelung Anordnungen betreffend die Berücksichtigung von Schulden (Passiva), Surrogaten, Früchten und Verwendungen trifft.
(4.5(d)) Modifizierte Zugewinngemeinschaft (3): Höhenmäßige Beschränkung des Zugewinnausgleichs (Cap) und Vereinbarung einer fixen Kompensationszahlung
Alternativ oder in Kombination mit der "Gütertrennung für den Scheidungsfall" kann ein Zugewinn höhenmäßig beschränkt oder durch eine fixe Kompensationszahlung abgegolten werden. Insoweit sind verschiedene Gestaltungen denkbar, etwa:
Ein Gesamthöchstbetrag, wonach der Zugewinn insgesamt auf den vereinbarten Höchstbetrag beschränkt wird, aber ein niedrigerer Zugewinn nachgewiesen werden kann;
Gestaffelte Höchstbeträge ("Ratchets"), wonach ein bestimmter Höchstbetrag oder eine bestimmte Kompensationszahlung abhängig von der Ehedauer und/oder anderen Faktoren (etwa Anzahl der gemeinsamen Kinder) gewährt wird;
eine Faktorkalkulation, wonach je vollendetem Ehejahr ein vorbestimmter Fixbetrag mit einem Faktor multipliziert wird und entweder als Höchstbetrag oder als Kompensationsbetrag dient; oder
eine quotale Anpassung des Zugewinnausgleichs.
Die vorgenannten Beschränkungen können selbstverständlich auch miteinander kombiniert werden. Allerdings ist insoweit darauf zu achten, dass sich mehrere Mechanismen in der späteren Anwendung nicht “in die Quere kommen” und eine richterliche Auslegung zu Lasten des ehevertraglich begünstigten Ehegatten notwendig machen.
Hinweis: Scheidungsfolgesache als Belastungstest für den Ehevertrag
Kommt es zu einem streitigen Verfahren über den (modifizierten) Zugewinnausgleich, wird der Anwalt des benachteiligten Ehegatten versuchen, jede Lücke und jede Unstimmigkeit auszunutzen, um den Ehevertrag ganz oder teilweise zu Fall zu bringen. Deshalb ist ganz besonders darauf zu achten, berechnungsrelevante Teile des Ehevertrages eindeutig und glasklar zu vertraglich zu beschreiben.
Im Einzelfall kann zudem über eine Indexierung analog der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum einfachen Zugewinnausgleich nachgedacht werden, um die Scheidungsfolgen bei langer Ehedauer gerecht auszugestalten und auch insoweit die Risiken einer richterlichen Inhaltskontrolle zu minimieren.
Zu beachten ist allerdings, dass bei Beschränkungen des Zugewinnausgleichs erhebliche steuerliche Vorteile verloren gehen können: Gemäß § 5 Abs. (2) ErbStG wird lediglich die vertraglich vereinbarte Höhe der Ausgleichsforderung steuerlich privilegiert. Wäre der Zugewinnausgleichsanspruch des anderen Ehegatten ohne die Beschränkungsregelung höher, wird steuerliches Freistellungspotenzial in Höhe des Überschusses verschenkt. Es bietet sich deshalb an, Cap bzw. Kompensationszahlung lediglich für den Fall der Scheidung anzuordnen, nicht jedoch bei anderweitiger Beendigung des Güterstandes (einschließlich einer Güterstandsschaukel).
Hinweis (1):
Nach den Erbschaftsteuerrichtlinien 2019 (ErbStRL 2019) kann beim späteren Verzicht auf eine bestehende Zugewinnausgleichsforderung eine möglicherweise steuerpflichtige Schenkung unter Lebenden vorliegen. Spiegelbildlich dazu kann im Falle des Verzichts auf einen Zugewinnausgleich gegen Abfindung der gezahlte Abfindungsbetrag nach § 5 Abs. (2) ErbStG steuerfrei sein.
Hinweis (2):
Im Einzelfall kann es Sinn machen, eine vereinbarte Kompensationszahlung nach Ehedauer im Hinblick auf § 13 ErbStG steuerlich anzupassen, indem eine fällige Kompensation vor Ehescheidung durch Übertragung einer Familienimmobilie bewirkt wird.
(4.5(e)) Güterstandswechsel und Güterstandsschaukel
Aufgrund der verfassungsrechtlich garantierten Ehevertragsfreiheit ist auch ein Güterstandswechsel jederzeit möglich.
Dies kann zum einen dann Sinn machen, wenn die Ehegatten ursprünglich Gütertrennung vereinbart haben, eine modifizierte Zugewinngemeinschaft jedoch für die Zukunft sinnvoller ist. Andererseits kann ein Güterstandswechsel auch zur steuergünstigen Übertragung von Vermögen zwischen den Ehepartnern (sog. Güterstandsschaukel) eingesetzt werden.
Im Falle der sog. Güterstandsschaukel wird der Güterstand der Zugewinngemeinschaft vertraglich kurzzeitig durch Vereinbarung einer Gütertrennung beendet, wodurch der gesetzliche Zugewinnausgleichsanspruch ausgelöst wird (§ 1378 Abs. (3) BGB). Steuerrechtlich greift sodann § 5 Abs. (2) ErbStG ein, wonach der Ausgleichsanspruch steuerfrei gestellt ist. Nach Ablauf einer Schamfrist können die Ehegatten durch erneute ehevertragliche Vereinbarung wieder in den Güterstand der (modifizierten) Zugewinngemeinschaft zurück wechseln und haben im Ergebnis steuerfrei Vermögen auf den ausgleichsberechtigten Ehepartner übertragen.
Hinweis (1):
Die steuerrechtliche Zulässigkeit der Güterstandsschaukel ist inzwischen höchstrichterlich durch den Bundesfinanzhof bestätigt worden (BFH, Urteil v. 12.07.2005 − Az. II R 29/02). Ein Rechtsmissbrauch (§ 42 AO) liegt nach Auffassung des BFH bei korrekter (!) Gestaltung der Güterstandsschaukel nicht vor.
Hinweis (2):
Möchte man bei einer modifizierten Zugewinngemeinschaft das steuerliche Gestaltungspotenzial der Güterstandsschaukel offen halten, sollte der ehevertragliche Ausschluss des Zugewinnausgleichs explizit lediglich für den Fall der Scheidung vereinbart und so der Zugewinnausgleich für den Fall eines späteren Güterstandswechsels während der Ehedauer offen gehalten werden ("Gütertrennung für den Scheidungsfall"). Besteht demgegenüber eine echte Gütertrennung, ist die Ausnutzung der Güterstandsschaukel nur durch einen wohl geplanten, vorherigen Wechsel in den Güterstand der Zugewinngemeinschaft möglich.
(4.6) Ehevertrag und Unterhaltsrecht: Abweichungen in Bezug auf Trennungsunterhalt und nachehelichen Unterhalt
Die eigentliche Tragweite der familienrechtlichen Kernbereichslehre des BGH wird schließlich bei der Frage deutlich, ob und inwieweit Unterhaltsansprüche der Ehegatten modifiziert oder gar ganz abbedungen werden können.
Abzugrenzen ist zunächst zwischen dem Trennungsunterhalt (§ 1361 BGB) und den Tatbeständen des nachehelichen Unterhalts (§§ 1569 ff. BGB).
Der Trennungsunterhalt ist gemäß § 1614 Abs. (1) BGB, § 1361 Abs. (4) BGB, § 1360a Abs. (3) BGB zwingend ausgestaltet und kann deshalb im Voraus nicht ausgeschlossen werden. Entsprechend sollte aufgrund des hohen Risikos einer familiengerichtlichen Unwirksamkeitserklärung auch von einer ehevertraglichen Begrenzung des Trennungsunterhalts abgesehen werden.
Im Gegensatz zum Trennungsunterhalt können die Ehegatten im Ehevertrag individuelle Vereinbarungen zum nachehelichen Unterhalt treffen (vgl. § 1585c BGB), die allerdings im Lichte der richterlicher Inhaltskontrolle über § 138 BGB, § 242 BGB (dazu oben, Abschnitt 4.4) genauestens durchdacht sein sollten.
Ein verkürzter Überblick über die Inhaltskontrolle von Regelungen zum Unterhalt sei an dieser Stelle wie folgt gegeben:
Ein Totalverzicht auf Unterhaltsansprüche kommt nur in sehr wenigen Ausnahmekonstellationen in Betracht. Zu denken ist etwa an eine "DINK"-Ehe ohne Kinderwunsch oder eine zweite (dritte, vierte, ...) Ehe in fortgeschrittenem Lebensalter, bei der beide Partner bereits finanziell abgesichert sind.
Sollte es im Falle des Ausschlusses von Kinderbetreuungsunterhalt unerwartet zu einer Schwangerschaft kommen, kann der im Ehevertrag vereinbarte Unterhaltsausschluss im Wege der richterlichen Ausübungskontrolle ausgehebelt werden. Daher rate ich grds. von einem Totalverzicht ab und empfehle stattdessen ausgewogenere, bedingte Regelungen (etwa in Gestalt eines sog. Zweistufigen Ehevertrages).
Ferner wird beim Thema Kindesbetreuungsunterhalt (§ 1570 BGB) unterschieden zwischen Basisunterhalt, kindbezogener Verlängerung und ehebezogener Verlängerung. Der Basisunterhalt ist Ausdruck der verfassungsrechtlichen Pflicht des Gesetzgebers, das Kindeswohl familienrechtlich sicherzustellen. Dieser Unterhaltsanspruch ist damit der Dispositionsbefugnis der Eheleute entzogen und kann deshalb nicht ausgeschlossen werden. Beschränkungen sind nur ausnahmsweise bei sehr gut verdienenden Unterhaltspflichtigen denkbar. Auch die kindsbezogene Verlängerung ist aufgrund des kindschützenden Charakters nur in Ausnahmefällen einschränkbar. Die ehebezogene Verlängerung kann dagegen durch die Eheleute modifiziert werden, da sie nur noch mittelbar dem Kindesinteresse dient.
Was die übrigen Unterhaltstatbestände angeht, sind Beschränkungen und Ausschlüsse im Sinne der Kernbereichslehre denkbar, aber naturgemäß stark einzelfallbezogen. In der Praxis am bedeutsamsten sind die Einziehung von Unterhaltshöchstgrenzen (Unterhaltsbeschränkung, Caps) und/oder zeitlichen Grenzen (Unterhaltshöchstdauer). Bei gut verdienenden Eheleuten ist der Spielraum für eine ehevertragliche Regelung insoweit größer; das gilt insbesondere auch im Hinblick auf das Prinzip der Erwerbsobliegenheit im aktuell geltenden Unterhaltsrecht. Nach der Kernbereichslehre des BGH sind Eingriffe in einer weniger geschützten Stufe besser begründbar als solche in einer höher geschützten Stufe.
Hinweis: Bedeutung von Kompensationslösungen
Zur Verminderung des Unwirksamkeitsrisikos sind gerade bei Eheverträgen von Unternehmern, Managern, Selbstständigen / Freiberuflern und Personen mit großem Kapitalvermögen regelmäßig Ausschlüsse mit gleichzeitiger Kompensationsregelung angezeigt. In einem späteren Verfahren kann dem Unwirksamkeitseinwand der Gegenseite mit dem Argument entgegengetreten werden, dass dafür eine angemessene Kompensation an anderer Stelle erfolgt ist.
(4.7) Ehevertrag und Versorgungsausgleich: Abweichungen von den Regelungen nach Versorgungsausgleichsgesetz (VersAusglG)
Gemäß § 6 VersAusglG können die Ehegatten in einem Ehevertrag Vereinbarungen über den Versorgungsausgleich treffen, wobei das Gesetz insbesondere seine Modifikation und explizit auch seinen gänzlichen Ausschluss erlaubt. Wie eingangs erläutert, ist diese Norm nur deklaratorisch: Die Möglichkeit zur individuellen vertraglichen Ausgestaltung des Versorgungsausgleichs ergibt sich dogmatisch bereits aus der verfassungsrechtlich garantierten Ehevertragsfreiheit.
(4.7(a)) Inhaltskontrolle bei Regelungen zum Versorgungsausgleich (§ 8 VersAusglG)
Nach der Kernbereichslehre des BGH ist der Versorgungsausgleich allerdings − systematisch sinnvoll − auf eine Stufe mit dem Alters- und Krankheitsunterhalt gestellt (Stufe 2b, dazu siehe oben Abschnitt 4.4(b)). Gemäß § 8 Abs. (1) VersAusglG muss die "Vereinbarung über den Versorgungsausgleich [...] einer Inhalts- und Ausübungskontrolle standhalten". Der Gesetzgeber hat also die Rechtsprechung insoweit kodifiziert.
Von einem Totalverzicht sollte auch hier bis auf wenige Spezialfälle abgesehen werden. So wäre etwa ein Totalverzicht ohne Kompensation sittenwidrig (§ 138 Abs. (1) BGB), wenn absehbar ist, dass die Ehefrau anlässlich der Kindeserziehung für längere Zeit aus dem Berufsleben ausscheiden und entsprechende Anwartschaftszeiten verlieren wird.
(4.7(b)) Ausschluss des Versorgungsausgleichs in der Unternehmerehe und Risiko der späteren Unternehmensaufgabe
Ein Totalverzicht ist aber beispielsweise dann denkbar, wenn einer der Ehepartner abhängig beschäftigt oder der Kammerversorgung angeschlossen ist, der andere (finanziell überlegene) Ehepartner jedoch als Unternehmer in keine gesetzliche Einrichtung der Altersvorsorge einzahlt.
Beispiel:
Die Ehefrau (F) ist als Angestellte bei einem mittelständischen Betrieb beschäftigt und zahlt in die Rentenkasse ein, ihr Ehemann (M) ist dagegen erfolgreicher Unternehmer mit gänzlich privater Altersvorsorge über eine Kapitallebensversicherung und verschiedene andere Assets.
Kommt es zur Scheidung, könnte M von F einen Versorgungsausgleich verlangen, obgleich M materiell sehr viel besser gestellt ist als F.
Es hat sich deshalb in der Praxis bewährt, in einem solchen Fall den Versorgungsausgleich im Ehevertrag auszuschließen. Allerdings ist auch hierbei Vorsicht geboten: Gibt der unternehmerisch tätige Ehegatte später sein Unternehmen auf und wechselt wieder in ein Angestelltenverhältnis zurück (etwa als Manager bzw. Geschäftsführer), könnte der Ausschluss des Versorgungsausgleichs unbillig werden.
Beispiel (Forts.):
M verkauft sein Unternehmen später an einen Private Equity Investor, wird aber anschließend (angestellter) Fremdgeschäftsführer des Unternehmens und bezieht daher sozialversicherungspflichtiges Einkommen.
In der Beyond Return Ausgabe zum Thema “Management Buy-out (MBO) und Management Buy-in (MBI)” stelle ich eine typische Variante der Unternehmensnachfolge unter Beteiligung von Management und Private Equity Investor(en) im Detail vor. Auch bei Strukturierung solch komplexer Unternehmenstransaktionen können sich familienrechtlich relevante Aspekte für involvierte Manager bzw. Privatpersonen ergeben.
Als Lösung bietet sich hier eine Verbindung des Ausschlusses des Versorgungsausgleichs mit einer Rücktrittsklausel an, wonach der ehemals abbedungene Versorgungsausgleich auf Erklärung eines der Ehegatten wieder auflebt. Dieses Rücktrittsrecht kann an weitere Billigkeitsvoraussetzungen geknüpft werden, etwa an eine bestimmte Vermögenshöchstgrenze.
(4.7(c)) Kompensation ehebedingter Nachteile durch Versorgungsausgleich
Im Lichte der "Übergriffs-Rechtsprechung" (vgl. BGH, Beschluss v. 08.10.2014 − Az. XII ZB 318/11, dazu bereits Abschnitt 3.3(b)) ist stets darauf zu achten, dass der Ehevertrag insgesamt um einen Ausgleich ehebedingter (Versorgungs-) Nachteile des finanziell unterlegenen Ehegatten bemüht ist.
Beispiel:
Ist der Ehemann (M) gut verdienender Unternehmer mit privater Altersvorsorge und seine Ehefrau (F) mit der Kinderbetreuung beschäftigte Hausfrau, sollte im Ehevertrag ein freiwilliger (erweiterter) Versorgungsausgleich vereinbart werden, um die Risiken einer späteren richterlichen Wirksamkeits- und Ausübungskontrolle zu minimieren.
So könnte M etwa im Scheidungsfall eine gestaffelte Kompensationszahlung explizit "zum Ausgleich ehebedingter Nachteile in der Altersversorgung" der F leisten. Alternativ könnte M sich auch verpflichten, während der Ehedauer regelmäßig in eine Altersversorgung für F einzubezahlen bzw. für sie parallel eine Altersvorsorge aufzubauen (z.B. durch Einzahlung in eine für F bestimmte Kapitallebensversicherung oder ein designiertes Investitionsvehikel).
(4.8) Wichtige BGH-Entscheidungen zur Inhaltskontrolle bzw. Missbrauchskontrolle beim Ehevertrag zum Nachlesen
Im Folgenden finden Sie einen Überblick über die wichtigsten Leitentscheidungen des Bundesgerichtshofs zum Thema Ehevertrag, auf die sich meine vorangegangenen Ausführungen stützen (nicht abschließend):
BGH, Urteil v. 11.02.2004 – Az. XII ZR 265/02
BGH, Beschluss v. 06.10.2004 – Az. XII ZB 57/03
BGH, Beschluss v. 06.10.2004 – Az. XII ZB 110/99
BGH, Urteil v. 12.01.2005 – Az. XII ZR 238/03
BGH, Urteil v. 25.05.2005 – Az. XII ZR 221/02
BGH, Urteil v. 25.05.2005 – Az. XII ZR 296/01
BGH, Beschluss v. 17.05.2006 – Az. XII ZB 250/03
BGH, Urteil v. 05.07.2006 – Az. XII ZR 25/04
BGH, Urteil v. 25.10.2006 – Az. XII ZR 144/04
BGH, Urteil v. 28.03.2007 – Az. XII ZR 130/04
BGH, Urteil v. 28.11.2007 – Az. XII ZR 132/05
BGH, Urteil v. 09.07.2008 – Az. XII ZR 6/07
BGH, Urteil v. 05.11.2008 – Az. XII ZR 157/06
Hinweis:
Neben diesen Leitentscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGH) gibt es mittlerweile eine große Anzahl an instanzgerichtlichen Entscheidungen zu den Details der Gestaltung bzw. richterlichen Inhaltskontrolle von Eheverträgen. Der Übersichtlichkeit wegen beschränke ich mich hier auf die explizite Nennung von BGH-Entscheidungen, obgleich die instanzgerichtliche Rechtsprechung in meine Ausführungen selbstverständlich eingearbeitet ist.
(5) Besser spät als nie: Krisen-Ehevertrag und Scheidungsfolgenvereinbarung (Scheidungsvereinbarung)
Droht die Ehe zu scheitern oder ist bereits gescheitert, können die Ehepartner aufgrund der verfassungsrechtlich abgesicherten Vertragsfreiheit im privaten Bereich gleichwohl noch familienrechtliche Vereinbarungen (insb. zu Güterstand, Unterhalt und Versorgungsausgleich) treffen. Je nach Status der ehelichen Beziehung nennt man eine solche Vereinbarung Krisen-Ehevertrag oder Scheidungsfolgenvereinbarung (bisweilen auch schlicht Scheidungsvereinbarung).
(5.1) Faktisch entschärfte Inhaltskontrolle bei Scheidungsvereinbarung und Ehevertrag in der Ehekrise
Die Rechtsprechung wendet die oben dargestellten Grundsätze zur Inhaltskontrolle auch auf den Ehevertrag in der Krise und die Scheidungsfolgenvereinbarung an. Allerdings ist die Sachlage hier naturgemäß entschärft: Bei familienrechtlichen Vereinbarungen im Krisenstadium der Ehe haben beide Ehepartner bereits Erfahrungen über das gemeinsame Eheleben gesammelt und können damit − anders als beim Abschluss des Ehevertrages vor Eingehung der Ehe bzw. “in guten Zeiten” − eine gewisse Bilanz ihres Zusammenlebens ziehen sowie ihre Wünsche und Bedürfnisse für die Zukunft (tendenziell) realistischer einschätzen.
Auch das Argument, dass ein unterlegener Partner in einer Drucksituation durch die Rechtsordnung geschützt werden muss (Imparität) zieht hier − anders als vor Eingehung der Ehe − in der Regel nicht oder nur noch sehr eingeschränkt: Ist die Ehe bereits zerrüttet und die Scheidung absehbar, mangelt es üblicherweise am Druck, eine vertragliche Abrede abzuschließen. Stattdessen kann sich der vermeintlich unterlegene Partner einfach auf nichts mehr einlassen und damit durch bloße Untätigkeit bzw. Unwilligkeit zum Vertragsschluss alle sie oder ihn schützenden Vorschriften des Scheidungsrechts in Anspruch nehmen.
(5.2) Was sollte in einer Scheidungsvereinbarung bzw. Scheidungsfolgenvereinbarung geregelt werden?
Zusammenfassend könnte man sagen: In einer Scheidungsfolgenvereinbarung muss alles das geregelt werden, was für als gerecht empfundene Vermögensauseinandersetzung und Nachteilsausgleich erforderlich ist.
Im Regelfall gehören dazu die folgenden Punkte:
Abwicklung des Güterstandes durch (bei Gütertrennung) Identifizierung und Herausgabe aller Gegenstände an den jeweiligen Eigentümer bzw. Rechteinhaber oder (bei Zugewinngemeinschaft) Berechnung und Ausgleich des Zugewinns; bei letzterem muss insb. eine Einigung über den Wert von Unternehmen, Unternehmensanteilen, Immobilien und anderen Assets getroffen werden (zu den gängigen Bewertungsmethoden vgl. bereits oben, Abschnitt 3.1(d)), um letztlich die Berechnung des Zugewinns durchführen zu können.
Ggf. die Vereinbarung eines finalen Güterstandswechsels für die Endphase der Ehe bis zur Rechtskraft der Scheidung, um die vereinbarte Abwicklung des ursprünglichen Güterstandes abzusichern (i.d.R. durch Gütertrennung).
Regelung des Umgangs mit Zuwendungen von Schwiegereltern, weil diese nach der Rechtsprechung zu Schwiegerelternzuwendungen später über § 313 BGB (Störung der Geschäftsgrundlage) angefochten werden könnten (vgl. BGH, Urteil v. 03.02.2010 − Az. XII ZR 189/06).
Beendigung, Auseinandersetzung oder Anpassung sonstiger Rechtsverhältnisse wie etwa Arbeitsverhältnissen, Ehegatteninnengesellschaft, Kapitalanlagen, Versicherungspolicen.
Anpassung von Vorsorgeregelungen und erbrechtlichen Verfügungen, insb. Testamenten und anderen erbrechtlichen Verfügungen, Vollmachten und Betreuungsverfügungen. Daneben kann ein sog. Geschiedenentestament sinnvoll und gewünscht sein.
Regelungen zu Unterhalt und Versorgungsausgleich, wobei die gestalterischen Möglichkeiten für den Trennungsunterhalt und nachehelichen Unterhalt insoweit tendenziell größer sind als beim anfänglichen Ehevertrag (dazu bereits oben unter Abschnitt 5.1).
Hinweis (1):
Bei Regelung der Scheidungsfolgen in der Ehekrise sollte darauf geachtet werden, "in einem Abwasch" eine möglichst umfangreiche Auseinandersetzung bzw. Vermögensauseinandersetzung der Ehegatten zu erledigen und nichts zu übersehen. So sollte gleich vertraglich mitgeregelt werden, wer welche Haushaltsgegenstände, Haustiere, Fahrzeuge, etc. (ggf. gegen Abschlagszahlungen) erhalten bzw. behalten soll.
Hinweis (2):
Bei der Vermögensauseinandersetzung sollte immer auch die steuerliche Dimension mitbedacht werden. Nach der Rechtsprechung (vgl. nur BFH, Urteil v. 21.03.2002 − IV R 1/01, BStBl 2002 II S. 519) liegt in der Übertragung von Assets ein entgeltliches Geschäft (Leistung an Erfüllungs statt), sodass im Veräußerungsvorgang ein etragsteuerlicher Gewinn realisiert werden kann.
Bei Immobilien sollte entsprechend geprüft werden, ob ein steuerbarer Vorgang vorliegen könnte und ggf. die 10-Jahres-Frist gem. § 23 EStG abgelaufen ist. Ferner sollte bei Gestaltung der künftigen Wohnverhältnisse dem Kriterium der Eigennutzung in § 23 EStG besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden.
(6) Schlussbetrachtung: Ihr Weg zum rechtssicheren Ehevertrag
Ehevertrag und Scheidungsvereinbarung eröffnen also im Ergebnis eine sinnvolle Möglichkeit, die rechtlichen Rahmenbedingungen Ihrer ehelichen Beziehung selbst in die Hand zu nehmen und die mitunter gerade für Unternehmer und Privatinvestoren nachteiligen Regelungen des gesetzlichen Familien- und Erbrechts auf Ihre individuellen Bedürfnisse anzupassen.
Die ehevertragliche Modifizierung der Zugewinngemeinschaft bildet dabei üblicherweise in güterrechtlicher Hinsicht den Königsweg: Sie führt einerseits zu oftmals als gerechter empfundenen Ergebnissen als die resolute Gütertrennung und birgt gleichzeitig hohes steuerliches Gestaltungspotenzial (insb. über das durch den Bundesfinanzhof (BFH) inzwischen abgesegnete Modell der “Güterstandsschaukel”). Flankiert werden die güterrechtlichen Regelungen von ausgehandelten Bestimmungen zu Unterhalt und Versorgungsausgleich, wobei neben Höchstbeträgen (Caps), Stufen- und Faktormodellen vieles möglich ist.
Allerdings wird die verfassungsrechtlich garantierte Ehevertragsfreiheit durch die Rechtsprechung zur richterlichen Inhaltskontrolle in der Praxis stark reglementiert, weswegen jeder Ehevertrag ein fein austariertes Unikat sein sollte und sich pauschale Musterlösungen verbieten. Andernfalls besteht ein hohes Risiko, dass ein Familiengericht im späteren Scheidungsverfahren entweder eine Klausel (oder sogar den gesamten Ehevertrag) als unwirksam verwirft oder jedenfalls die Anwendbarkeit im konkreten Fall sperrt. Im Zentrum sollte dabei immer das Streben nach dem Ausgleich sog. ehebedingter Nachteile stehen.
Besonderes Augenmerk sollte im Übrigen (gerade im Unternehmens- und Investmentbereich) auf der vertraglichen Definition vom aus dem Zugewinn herausgenommenen “Betriebsvermögen” sowie dem Bewertungsaspekt liegen: So sollten Sie unter keinen Umständen eine bloß floskelhafte “Catch-all”-Definition vereinbaren und unbedingt das einschlägige Bewertungsverfahren vorher bestimmen. Mit den Standards IDW S 1 und IDW S 13 stehen hierfür mittlerweile praxisnahe Regelwerke bereit; daneben kann aber selbstverständlich auch z.B. eine nach individuellen Wünschen ausgestaltete DCF-Methode angeordnet werden. Letzteres kann insb. bei Beteiligungen der Ehegatten an Startups und stark wachsenden Unternehmen bzw. bei Berührungspunkten mit den Bereichen Venture Capital und Private Equity sachgerecht sein.
Über den Autor
Fabian Arhelger ist Rechtsanwalt in Frankfurt am Main und Inhaber der auf Unternehmens-, Finanzierungs- und Vermögensrecht spezialisierten Kanzlei Acorfin. Er berät und vertritt seit vielen Jahren bundesweit Unternehmer, Manager und Investoren in allen geschäftlichen und persönlichen Belangen, wozu naturgemäß auch die maßgeschneiderte Gestaltung von familien- und erbrechtlichen Verhältnissen im unternehmensnahen Bereich zählt. Sie erreichen den Autor unter farhelger@acorfin.com.
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